Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz und Schmerzensgeld: Haftung für die Verursachung eines Verkehrsunfalls ohne Mitverschulden des Geschädigten
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 31.08.1999; Aktenzeichen 6 O 162/98) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 31. August 1999 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer des Beklagten: unter 60.000,00 DM.
Gründe
I.
Der Kläger befuhr am 15.12.1994 als Lokomotivführer mit einem Personenzug die eingleisige Strecke von N nach C. In S stieß er mit einem italienischen Klein-Lkw zusammen, dessen Fahrzeugführer an einem unbeschrankten Bahnübergang die blinkende Signalanlage und das akustische Signal des Zuges mßachtet hatte. Der Lkw wurde beschädigt; Fahrer und Beifahrer blieben unverletzt. Der Kläger setzte nach der polizeilichen Unfallaufnahme die Fahrt noch für ca. 100 m bis zum Bahnhof S fort, begab sich dann aber auf Grund des beim Unfall erlittenen Schocks in ärztliche Behandlung. Bis zum 23.12.1994 wurde er zunächst in S, später in X stationär behandelt. Auch nach einer anschließenden Kurmaßnahme wurde er nicht wieder dienstfähig. Zum 31.03.1996 wurde er im Alter von 42 Jahren wegen eines chronischen psycho-physischen Erschöpfungszustandes mit Angstzuständen und wegen psychosomatischer Beschwerden pensioniert.
Der Kläger, der im Laufe seines Dienstes 8 Betriebsunfälle
- drei mit tödlichem Ausgang (Suizid) - hatte, hat behauptet, er leide nach wie vor an ängstlicher Erregtheit, Unruhe, Schlafstörungen, zeitweilig trauriger Verstimmung, Antriebslosigkeit und Rückzugstendenzen, ferner an Schwindel, zeitweiligen Kopfschmerzen und Schweißausbrüchen; diese Beschwerden seien auf den Unfall vom 15.12.1994 zurückzuführen; davon habe er sich im Gegensatz zu früheren Ereignissen nicht mehr erholen können.
Der Beklagte hat gemäß § 2 II AuslPflVG die Pflichten des Haftpflichtversicherers übernommen. Er hat bestritten, daß der Zusammenstoß mit dem italienischen LKW für die Beschwerden des Klägers und dessen Frühpensionierung ursächlich geworden sei.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht dem Kläger 10.000,00 DM als Schmerzensgeld und 9.138,16 DM als Ersatz materiellen Schadens zuerkannt und hat festgestellt, daß der Beklagte zum Ersatz des Zukunftsschadens verpflichtet ist. Auf Grund der eingeholten Gutachten ist es zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger an den geschilderten Beschwerden leidet und daß hierfür und auch für die Frühpensionierung der Unfall ursächlich war.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er greift
- gestützt auf von ihm eingeholte Privatgutachten - die Beweiswürdigung des Landgerichts an und bestreitet insbesondere die Kausalität des Unfalls für die Dauerschäden des Klägers.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat durch Professor Dr. K ein weiteres fachpsychiatrisches Gutachten erstatten und dies durch Dr. B, den Mitverfasser des Gutachtens, im Senatstermin erläutern lassen. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist nicht begründet.
1. Dem Grunde nach ist die auf § 7, StVG, §§ 823, 847 BGB, § 2 II AuslPflVG beruhende quotenmäßig nicht gekürzte Haftung des Beklagten nicht im Streit. Fest steht auch, daß der Kläger bei dem Unfallgeschehen einen Schock erlitten hat und deswegen zunächst bis zum 16.12.1994 im Krankenhaus S und anschließend für eine Woche in X stationär behandelt worden ist.
2. Auf Grund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die Beschwerden, an denen er in der Folgezeit gelitten hat und die zu seiner Frühpensionierung geführt haben, auf den Unfall zurückzuführen sind. In Übereinstimmung mit der ärztlichen Stellungnahme, die der Facharzt für Psychiatrie O unter dem 09.05.1997 für den früheren Dienstherrn des Klägers abgegeben hat, ist auch der vom Landgericht hinzugezogene Sachverständige Dr. G in seinem Gutachten vom 12.04.1999 zu diesem Ergebnis gelangt, desgleichen der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. K in seinem schriftlichen Gutachten vom 02.08.2000. Danach hat sich beim Kläger zunächst eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, die inzwischen in eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung übergegangen ist. Verursacht worden ist diese Krankheitsentwicklung durch den vom Beklagten zu regulierenden Unfall vom 05.12.1994.
Ohne Erfolg greift der Beklagte, die überzeugenden Ausführungen dieser Gutachten an und stützt sich dabei auf die Ausführungen des von ihm eingeschalteten Neurologen und Psychiaters Dr. L. Dieser hält es nicht für einleuchtend, daß der Unfall vom 15.12.1994 für den Kläger derart schwere Folgen gehabt haben soll, weil es sich um einen im Vergleich zu der Vorgeschichte relativen Bagatellunfall gehandelt habe, wohingegen die schwerwiegenden Ereignisse einschließlich der Todesfälle aus den vorangegangenen Unfällen keine derartigen Folgen...