Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung von VW als Hersteller des Motors EA 189 im sog. Diesel-Abgasskandal (Anschluss an BGH, Urteile vom 25.05.2020 und 30.07.2020, VI ZR 252/19, 354/19, 367/19, 397/19, 5/20).
Normenkette
BGB §§ 31, 249, 823, 826, 849; EG-FGV §§ 6, 27 Abs. 1, § 37 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 1 O 130/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten wird das am 28.05.2019 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 29.951,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.06.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs X U mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...0...0...00004.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs seit dem 27.11.2018 im Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.590,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.06.2018 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Beklagte 74 % und die Klägerin 26 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 80 % und die Klägerin zu 20 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf insgesamt 37.528,90 EUR festgesetzt. Davon entfallen 9.120,35 EUR auf die Berufung der Klägerin und 28.408,55 EUR auf die Berufung der Beklagten.
Gründe
A. Die Klägerin macht im Zusammenhang mit dem Kauf eines Personenkraftwagens gegen die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeuges Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Implementierung einer unzulässigen und zur Manipulation von Abgasmesswerten führenden Abschalteinrichtung geltend.
I. Der verstorbene Ehemann der Klägerin erwarb bei einem Autohändler auf der Grundlage einer verbindlichen Bestellung vom 15.02.2008 (Bl. 534 f.) zum Preis von 37.528,90 EUR einen neuen X U T 0,0 l ....
Bei dem Fahrzeug ist ein Motor des Typs ...000 verbaut. Für das Fahrzeug war eine Typgenehmigung nach Euro-5 erteilt worden. Das vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) genehmigtes Software-Update, das die sog. Umschaltlogik entfernt, die dazu führt, dass die Abgasrückführung nur auf dem Prüfstand aktiviert wird, wurde bei dem U nicht durchgeführt.
Außergerichtlich meldete die Klägerin bei der Beklagten erfolglos Ansprüche mit Anwaltsschreiben ihrer Bevollmächtigten vom 17.11.2017 unter Fristsetzung bis zum 05.01.2018 an (Bl. 510 ff.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 07.05.2019 betrug die damals aktuelle Laufleistung des Fahrzeugs 60.575 km. Das Fahrzeug wurde mit diesem Kilometerstand abgemeldet und seitdem nicht mehr gefahren.
II. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 37.528,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent seit dem 16.02.2008 bis zum 26.11.2018 und seither in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich 9.120,35 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Weiterhin hat es den Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme seit dem 06.01.2018 festgestellt und die Beklagte ferner verurteilt, an die Klägerin Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.590,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2018 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass sich der Anspruch gegen die Beklagte dem Grunde nach aus dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB ergebe.
Bei der Berechnung der Höhe des Schadensersatzanspruchs von 28.408,55 EUR ist das Landgericht von einem Kaufpreis von 37.528,90 EUR ausgegangen und hat hiervon eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 9.120,35 EUR in Abzug gebracht. Diese ist gem. § 287 ZPO ausgehend von der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aktuellen Laufleistung des Fahrzeuges von 60.575 km und einer angenommenen Gesamtlaufleistung von 250.000 km berechnet worden.
Die Zinsforderung folge aus § 849 BGB und §§ 288,291 BGB.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten könne die Kläger nach einer 1,3 fachen Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von 1.590,01 EUR verlangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Tenors und der Begründung wird auf da...