Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 4 O 205/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 05.06.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird, soweit sie gegen die Beklagte zu 1) gerichtet ist, als unzulässig verworfen, und soweit sie gegen die Beklagte zu 2) gerichtet ist, als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten trägt der Kläger.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung aus beiden Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Der Kläger erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug, einen Q2 Diesel, aufgrund schriftlicher Bestellung vom 12.12.2015 als Neufahrzeug von der Beklagten zu 1) zum Preis von 80.774,15 EUR. Das Fahrzeug wurde am 01.07.2016 an den Kläger ausgeliefert. Die Beklagte zu 2) ist Herstellerin des Fahrzeugs.
Das Fahrzeug ist mit einem 3,0 l V 6 Dieselmotor des Typs EA 897evo ausgestattet, der von der Streithelferin hergestellt wurde. Das hier in Rede stehende Fahrzeugmodell verfügt über eine Typgenehmigung der Schadstoffklasse Euro 6. Vor der Auslieferung des Fahrzeugs an den Kläger erfolgte eine Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware. Im Herbst 2016 wurde ein weiteres Software-Update auf das klägerische Fahrzeug aufgespielt.
Der Kläger erklärte mit Anwaltsschreiben an die Beklagte zu 1) vom 28.03.2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sei, und forderte die Beklagte zu 1) zur Bestätigung der Rückabwicklung des Kaufvertrages bis zum 10.04.2018 auf. Mit Anwaltsschreiben vom selben Tag forderte der Kläger die Beklagte zu 2) zur Rücknahme des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises auf. Dem kamen beide Beklagten nicht nach.
Das Kraftfahrt-Bundesamt erließ am 10.07.2018 einen Bescheid gegenüber der Beklagten zu 2), mit dem dieser - in Abänderung eines vorherigen Bescheides vom 16.05.2018 - aufgegeben wurde, Fahrzeuge des hier in Rede stehenden Typs zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung umzurüsten. Am 01.08.2018 gab das Kraftfahrt-Bundesamt das von der Beklagten zu 2) hierzu bereit gestellte Software-Update frei. Ob dieses Update anschließend auf das klägerische Fahrzeug aufgespielt wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten zu 1) Rückabwicklung des Kaufvertrages und von der Beklagten zu 2) im Wege des Schadensersatzes Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Hierbei lässt sich der Kläger gegenüber beiden Beklagten auf der Grundlage einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung von 500.000 km und einer bisherigen Laufleistung von 45.000 km Nutzungsersatz in Höhe von 7.269,67 EUR anrechnen.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Beklagte zu 1) sei zur Rückabwicklung des Kaufvertrages verpflichtet, weil er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. Das Fahrzeug sei bei Übergabe mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung und damit mit einem Sachmangel behaftet gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass der Motor des Fahrzeugs zur Abgasreinigung eine Harnstofflösung namens AdBlue verwende, die der Abgasnachbehandlung zugeführt werde, um den Stickoxidausstoß zu reduzieren. Eine im Fahrzeug verbaute Software erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im Straßenbetrieb befinde, und bewirke, dass im Straßenbetrieb die Zuführung von AdBlue reduziert werde oder ganz unterbleibe mit der Folge eines höheren Stickoxidausstoßes. Hiermit werde bezweckt, den AdBlue-Verbrauch zu begrenzen. Eine Nachbesserung sei unmöglich, weil das von der Beklagten zu 2) bereit gestellte Software-Update zu einem deutlich höheren AdBlue-Verbrauch führe. Zudem sei es ihm unzumutbar gewesen, sich auf eine Nachbesserung mit offenem Ausgang und ungewisser Dauer einzulassen.
Die Haftung der Beklagten zu 2) ergebe sich aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und aus § 826 BGB. Sie habe ihn sittenwidrig geschädigt, in dem sie das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehene Fahrzeug in den Verkehr gebracht und hierdurch das Risiko einer Stilllegung des Fahrzeugs begründet habe. Die Beklagte zu 2) habe ihn sowohl über das Abgasverhalten des Fahrzeugs als auch über das Vorhandensein einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung nach §§ 6, 27 EG-FGV arglistig getäuscht. Der Vorstand der Beklagten zu 2) habe auch Kenntnis vom Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung gehabt. Ihm könne nicht entgangen sein, dass der AdBlue-Verbrauch für das hier in Rede stehende Fahrzeugmodell im Verhältnis zum Dieselverbrauch ungewöhnlich niedrig sei. Zudem habe die Beklagte zu 2) den von der Streithelferin hergestellten Motor auch tec...