Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 16 O 287/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.09.2019 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen (16 O 287/18) wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Dieses und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweilig zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer vorübergehenden partiellen Sperre eines Facebook-Accounts. Daneben verfolgt der Kläger Ansprüche auf Wiederherstellung, Unterlassung, Auskunft und Zahlung.
Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland und unterhält zumindest seit 2010 ein privates Nutzerkonto auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite www.facebook.com. Das soziale Netzwerk wird von der Muttergesellschaft der Beklagten mit Sitz in Kalifornien betrieben, die den Dienst weltweit anbietet. Vertragspartnerin der europäischen Nutzer ist die Beklagte.
Die Einzelheiten der Nutzung regelt die Beklagte unter anderem durch die von ihr vorgegebenen Nutzungsbedingungen (Anlage K1) und Gemeinschaftsstandards (Anlage K3). Letztere enthalten in der Einleitung ihrer am 19.04.2018 geänderten Fassung Regelungen zu Folgen von Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards sowie unter Teil II Nr. 9 unter anderem eine Definition des sog. "Bullying", verbunden mit dem Hinweis, dass jegliche Inhalte, mit denen Privatpersonen gezielt erniedrigt oder beschämt werden, entfernt werden.
Im August 2018 postete der Nutzer T. O. auf www.facebook.com folgenden Beitrag:
"Zitat wurde entfernt".
Der Kläger kommentierte diesen Beitrag mit:
"Zitat wurde entfernt".
Am 21.08.2018 löschte die Beklagte den vorbezeichneten Kommentar des Klägers und sperrte sein Profil in Bezug auf verschiedene Teilfunktionen für 30 Tage mit der Folge, dass der Kläger für diesen Zeitraum weder Beiträge verfassen oder kommentieren noch den Messengerdienst der Website verwenden konnte ("read only - Modus"). Die Beklagte begründete dies damit, dass der Beitrag gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen habe.
Nachdem die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 29.08.2018 die Beklagte aufgefordert hatten, den Beitrag des Klägers neu zu bewerten, stellte sie, die Beklagte, fest, dass der Post nicht gegen ihre Richtlinien verstoßen habe. Am 20.09.2018 lief die Teilsperre des Accounts des Klägers ab.
Mit seiner Klage vom 04.11.2018 hat der Kläger die Ansicht vertreten, die Entfernung seines Kommentars sowie die vorübergehende Teilsperrung seines Nutzerkontos seien rechtswidrig gewesen. Die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten seien bereits nicht wirksam in den Nutzungsvertrag einbezogen worden. Zudem verstießen sie gegen das Transparenz-, Verständlichkeits- und Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und würden ihn unangemessen benachteiligen. Schließlich habe er, der Kläger, auch nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen.
Er hat erstinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, dass die am 21.08.2018 vorgenommene Sperrung seines Profils (https://www.###) auf www.facebook.com rechtswidrig war,
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, seine Daten dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 21.08.2018 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz gelöscht wird und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird,
2. der Beklagten aufzugeben, seinen nachfolgend wiedergegebenen, am 21.08.2018 gelöschten Beitrag wieder freizuschalten:
"Zitat wurde entfernt",
3. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihn für das Einstellen des in Ziff. 2 genannten Textes auf www.facebook.com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen, wenn sich dies auf die Behauptung bezieht, dass Q.- oder N.-Wähler meistens diejenigen wären, die "Zitat wurde entfernt" und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft anzudrohen, Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen,
4. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen, ob die Sperre gem. Ziff. 1 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgte, und in letzterem Fall, durch welches,
5. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche,
6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 1.500,- EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basis...