Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, hat es die daraus folgende Nichtigkeit gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben.
2. Die Dispositionsmaxime des Zivilrechts findet in den Fällen ihre Grenze, in denen die Parteien gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Die Folgen dieses Verstoßes können nicht durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden.
3. Es ist den Parteien nicht möglich, die Folgen des Gesetzes mit Hilfe zivilprozessualer Vorschriften nachträglich zu umgehen, wenn ein Zivilgericht von den Tatsachen überzeugt ist, die einen Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG begründen.
Normenkette
BGB §§ 134, 631 Abs. 1, § 677 ff., § 812 ff., § 951 Abs. 1; SchwarzArbG § 1 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 138
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 213/21) |
Tenor
Die Berufungen des Klägers und des Beklagten gegen das am 07.09.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (Az. 2 O 213/21) werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 69 % und dem Beklagten zu 31 % auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem vorzeitig beendeten Vertrag über die Erbringung von Gartenbauarbeiten auf dem Grundstück des Beklagten im Q.-straße 00 in S..
Der Kläger, der unter der Firma M. einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb betreibt, begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Werklohn. Der Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung von nach seinem Vortrag geleisteten Abschlagszahlungen.
Der Kläger beabsichtigte, den Garten seines Grundbesitzes umzugestalten. Durch einen gemeinsamen Bekannten, Herrn K., wurde der Kontakt zum Beklagten hergestellt. Die Parteien trafen sich Ende Mai 2020 am Grundstück des Beklagten und besprachen, welche Arbeiten durchgeführt werden sollten. Der Kläger erstellte daraufhin unter dem 05.06.2020 einen Kostenvorschlag über 16.645,00 EUR, der keine Mehrwertsteuer ausweist, und übermittelte diesen per E-Mail dem Beklagten. Wegen der Einzelheiten dieses Kostenvoranschlags wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen. Der Beklagte erklärte sich per WhatsApp am 26.07.2020 mit diesem Angebot einverstanden. Am 18.09.2020 nahm der Beklagte die Arbeiten auf; wegen winterlicher Witterung wurden sie am 15.12.2020 unterbrochen.
Die Arbeiten des Klägers wurden letztlich nicht fertiggestellt, die Zusammenarbeit der Parteien beendet. Sie trafen sich zu einem klärenden Gespräch. Der Beklagte hatte zuvor die aus seiner Sicht erbrachten Leistungen ermittelt und hierüber die Anlage K3 (Bl. 193 d. eA. II) zum Schriftsatz vom 07.03.2022 erstellt, auf die Bezug genommen wird. Danach errechnete er unter Berücksichtigung von behaupteten Abschlagszahlungen einen offenen Betrag von noch rund 1.700,00 EUR.
Am 20.04.2021 erteilte der Kläger eine Schlussrechnung über 21.843,96 EUR inklusive 16 % Umsatzsteuer, die der Beklagte nicht beglich. Stattdessen erklärte er mit Schreiben vom 07.06.2021 den Widerruf vom Vertrag und bot an, den von ihm selbst ermittelten noch offenen Betrag von 1.700,00 EUR zu zahlen.
Mit der Klage verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung des Rechnungsbetrags in Höhe von 21.843,96 EUR weiter. Der Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung von seinem Vorbringen nach geleisteten Barzahlungen in Höhe von 10.000,00 EUR.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ein Widerrufsrecht des Beklagten bestehe nicht. Er hat behauptet, die in der Schlussrechnung abgerechneten Arbeiten mangelfrei erbracht zu haben. Er habe die durch Aufmaß ermittelten Mengen zutreffend in Ansatz gebracht.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 21.843,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2021 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, er sei gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zum Widerruf des Vertrages berechtigt, weil der Vertrag ausschließlich über Fernkommunikationsmittel im Sinne des § 312c BGB zustande gekommen und er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.
Hilfsweise hat der Beklagte behauptet, er habe an den Kläger bereits Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 10.000,00 EUR in bar geleistet, und zwar am 02.10.20...