Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung einer Stadt für das - von ihr genehmigte - Aufstellen von mobilen Verkehrsschildern auf einem Gehweg durch ein privates Unternehmen zur Absicherung privat veranlasster Bauarbeiten.

 

Normenkette

BGB § 839 i.V.m; GG Art. 34

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 5 O 82/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.04.2021 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die gem. § 511, 517 ff. ZPO in zulässigerweise Weise rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die gegen die beklagte Stadt gerichtete Schadensersatzklage wegen eines infolge eines Windstoßes auf sein Fahrzeug gefallenen und vermeintlich nicht den technischen Vorgaben entsprechend aufgestellten mobilen Halteverbotsschildes aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG abgewiesen.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Überleitung der Haftung der Streithelferin als privates Unternehmen, welches von der Betreibergesellschaft eines Einkaufszentrums zur Aufstellung von Verkehrsschildern zur Absicherung von privat veranlassten Fassadenarbeiten an dem Einkaufszentrum gemäß den Vorgaben in dem Bescheid der Straßenverkehrsbehörde vom 04.03.2019 beauftragt worden war, für ein fehlerhaftes Aufstellen der mobilen Halteverbotsschilder gemäß § 839 BGB i.V. mit Art. 34 Satz 1 GG verneint.

Die Streithelferin hat bei der Aufstellung der Halteverbotsschilder nicht als Verwaltungshelferin der Straßenverkehrsbehörde der beklagten Stadt gehandelt (1.). Eine eigene Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten in Form einer fehlerhaften Überwachung des Aufstellens der Schilder kann ihr nicht vorgeworfen werden (2.).

1. Die Voraussetzungen einer Haftungsüberleitung der deliktsrechtlichen Haftung der Streithelferin als privates Unternehmen auf die Beklagte liegen nicht vor.

Eine Haftungsüberleitung ist nur dann gegeben, wenn die Mitarbeiter der Streithelferin bei der Aufstellung der mobilen Halteverbotsschilder in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hätten. In diesem Fall tritt gemäß Art. 34 Satz 1 GG - im Wege der befreienden Haftungsübernahme - die jeweilige Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat. In diesem Falle scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten aus (BGH, Urt. v. 9.10.2014 - III ZR 68/14, Juris Tz. 8; OLG Karlsruhe, Urt. v. 01.12.2017 - 7 U 97/16, Juris Tz. 9).

Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen. Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden. Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe besteht, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes "Werkzeug" oder "Erfüllungsgehilfe" des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung kann sich die öffentliche Hand der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt (BGH, Urt. v. 06.06.2019 - III ZR 124/18, Juris Tz. 18; OLG Karlsruhe, Urt. v. 01.12.2017 - 7 U 97...

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