Leitsatz (amtlich)
Werden Versicherungsnehmer und Versicherer aufgrund eines Verkehrsunfallereignisses gemeinsam auf Schadensersatz verklagt und wird der Klage gegen den Versicherungsnehmer aus materiell-rechtlichen Gründen stattgegeben, die Klage gegen den Versicherer aber wegen des Ablaufs der 10-jährigen Verjährungsfrist des § 3 Nr. 3 PflVG abgewiesen, dann ist auf die Berufung des Versicherungsnehmers, wenn der Kläger die Klageabweisung gegen den Versicherer rechtskräftig werden lässt, die Klage schon wegen der Rechtskrafterstreckung des § 3 Nr. 8 PflVG abzuweisen.
Die Rechtskrafterstreckung gilt nämlich nicht nur dann, wenn die rechtskräftige Klageabweisung auf materiell-rechtlichen Gründen beruht, sondern auch dann, wenn der Versicherer zwar materiell-rechtlich haftet, Ansprüche aber wegen Verjährung abgewiesen werden.
Normenkette
PflVG § 3 Nr. 8
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 16 O 223/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das am 18.7.2001 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Essen, soweit es den Beklagten zu 2) betrifft, abgeändert.
Die Klage wird auch ggü. dem Beklagten zu 2) abgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen des Rechtsstreits trägt – insoweit in teilweiser Abänderung der Kostenentscheidung des LG – der Kläger.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, jede Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, Sicherheit auch durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert den Kläger um mehr als 20.000 Euro.
Tatbestand
Der Kläger, ein überregionaler Sozialhilfeträger, nimmt die Beklagten aus nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenem Recht auf Feststellung der Ersatzpflicht der ihm entstehenden zukünftigen materiellen Schäden aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Der Beklagte zu 2) befuhr am 27.3.1988 gegen 20.50 Uhr mit seinem seinerzeit bei dem Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Fahrzeug die B. in G. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug im dortigen Bereich 50 km/h. Aus seiner Sicht von rechts lief der damals 6 Jahre und 2 Monate alte A. zwischen zwei am rechten Fahrbahnrand geparkten Autos hindurch auf die Straße und wurde von dem Fahrzeug des Beklagten zu 2) erfasst. Er erlitt u.a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, aufgrund dessen er lebenslang behindert ist. Es besteht insb. eine Störung der Grob- und Feinmotorik mit ataktischen Bewegungsabläufen und eine Verlangsamung sämtlicher Bewegungs- und Denkabläufe. Er kann nur gut strukturierte, einfache Arbeiten ausführen. Eine nennenswerte Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht nicht. Seit dem 21.8.2000 befindet sich der Geschädigte im Arbeitstrainingsbereich der R.-Werkstätten. Kostenträger hierfür ist die Arbeitsverwaltung. Nach Beendigung dieser Maßnahme soll der Geschädigte in den Arbeitsbereich, dessen Kostenträger der Kläger ist, übernommen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt bezieht der Kläger weiter Sozialhilfe durch das Sozialamt E.
Der Kläger erhielt nach seiner Behauptung erstmals am 19.6.2000 anlässlich einer Fachausschusssitzung in den R.-Werkstätten Kenntnis davon, dass die Behinderung des Geschädigten auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Mit Schreiben vom 9.1.2001 bat der Kläger den Beklagten zu 1) darum, ihm zur Prüfung eines Anspruchs des Geschädigten auf Schadensersatz die Aktenvorgänge des Verfahrens zur Verfügung zu stellen (Bl. 14 d.A.). Der Beklagte zu 1) wies mit Schreiben vom 22.1.2001 Ansprüche als unbegründet zurück, da das Unfallgeschehen für den Beklagten zu 2) unabwendbar gewesen sei (Bl. 15 d.A.). Mit Schreiben vom 30.1.2001 bat der Kläger den Beklagten zu 1) nochmals um Übersendung der Unterlagen über den Schadenshergang (Bl. 16 d.A.). Der Beklagte zu 1) berief sich daraufhin mit Schreiben vom 16.2.2001 u.a. auf Verjährung (Bl. 17 d.A.). Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 30.3.2001 die Ansicht vertreten hatte, es sei nicht erkennbar, dass der Anspruch verjährt sei, übersandte der Beklagte zu 1) dem Kläger mit Schreiben vom 5.4.2001, eingegangen beim Kläger am 10.4.2001, schließlich eine Kopie der Strafakte.
Der Kläger hat behauptet, der Unfall sei für den Beklagten zu 2) nicht unabwendbar gewesen. Der Beklagte zu 2) sei mit mindestens 64 km/h gefahren. Er habe auch gegen § 3 Abs. 2a StVO verstoßen. Ca. 4 Sekunden vor dem Unfallgeschehen sei bereits der seinerzeit 9-jährige I. über die Straße gelaufen. Er müsse dabei im Blickfeld des Beklagten zu 2) gewesen sein. Der Beklagte zu 2) hätte ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit bemerken können und hätte sich dann auf ein nachfolgendes Kind einstellen müssen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) seien nicht verjährt, da vor Ablauf der 10-Jahresf...