Entscheidungsstichwort (Thema)
Feuer-/EC-Versicherung: Neuwertspitze
Leitsatz (amtlich)
Zur Sicherstellung der Wiederherstellung einer Anlage (hier bejaht) durch Abschluss eines Sale-and-lease-back-Vertrages (Rückvermietung an Verkäuferin).
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 115 O 228/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.07.2018 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 249.416,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszins seit 28.06.2017 zu zahlen.
Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte als führenden Versicherer anteilig aus einer Feuer- / EC-Versicherung die Neuwertspitze für die Wiederbeschaffung einer Ersatzbrennstoffaufbereitungsanlage nach einem Brand vom 14.12.2013 geltend.
Die Klägerin schloss unter dem 07. / 12.12.2016 mit einem Drittunternehmen (im Folgenden: Verkäuferin) einen Vertrag zur Wiederbeschaffung (eGA 126-130 [Blattzahl der elektronischen Gerichtsakte]) einer Ersatzbrennstoffaufbereitungsanlage, der mit folgendem Satz endete:
"Der Auftrag steht unter dem Vorbehalt der Erteilung der Blmsch Genehmigung zur Errichtung der EBS [Anlage]."
Die Verkäuferin, die nicht Hersteller oder Händler für derartige Geräte ist, musste dafür selbst eine entsprechende Anlage kaufen. Nach der von der Klägerin behaupteten Konzeption sollte diese auf der Grundlage des Kaufvertrages an die Klägerin übertragen und dann an die Verkäuferin zum Betrieb zurückvermietet werden (sale-and-lease-back).
Die Beklagte lehnte eine Regulierung ab, da dieser Wiederbeschaffungsvertrag keine Sicherstellung der Wiederherstellung bedeute. Insbesondere fehle es an einer Genehmigung der Anlage. Zum anderen sei die Anlage nicht gleicher Art und Zweckbestimmung, zumal ein Zusammenhang zwischen der geplanten Neuanlage und dem Betrieb auf dem Versicherungsgrundstück nicht erkennbar sei.
In § 8 Abs. 2 Teil A AFB (vgl. eGA 209, 541 f.), die nach Ziff. 1 der besonderen Vereinbarungen im Versicherungsschein (im Folgenden: AVB; Anl. K1, eGA 36) neben den AVB Vertragsgrundlage sind, heißt es insoweit:
"2. Neuwertschaden
"Ist die Entschädigung [z]um Neuwert vereinbart, erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um
Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen. Ist die Wiederherstellung an der bisherigen Stelle rechtlich nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zu vertreten, so genügt es, wenn das Gebäude an anderer Stelle innerhalb der Bundesrepublik Deutschland wiederhergestellt wird;
bewegliche Sachen, die zerstört wurden oder abhanden gekommen sind, in gleicher Art und Güte und in neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen. Nach vorheriger Zustimmung des Versicherers genügt Wiederbeschaffung gebrauchter Sachen; anstelle von Maschinen können Maschinen beliebiger Art beschafft werden, wenn deren Betriebszweck derselbe ist.
bewegliche Sachen, die beschädigt worden sind, wiederherzustellen"
Weiter heißt es im Vertrag unter Ziff. 3.6.9 und Ziff. 3.6.10 AVB (Anl. K1, eGA 66):
"3.6.9 Wiederherstellungsfristen
Die Wiederherstellungs- bzw. Wiederbeschaffungsfrist von drei Jahren gemäß Abschnitt A § 8 Nr. 2 AFB 2008 und Abschnitt A § 19 ECB 2008 ist gewahrt, wenn bindende Wiederherstellungs- bzw. Wiederbeschaffungsaufträge erteilt werden.
3.6.10 Wiederherstellung und Wiederbeschaffung
Es genügt, wenn eine den Zeitwertschaden übersteigende Entschädigungsleistung innerhalb des in diesem Versicherungsvertrag versicherten Unternehmens oder in diesen Versicherungsvertrag versicherten Unternehmensgruppe verwendet wird. Die den Zeitwert übersteigende Neuwertdifferenz wird für den Anteil fällig, der investiert wird. Auch eine Ersatzbeschaffung aus vorhandenen Lagern, Reserven, Leasing und ähnliches genügen."
Die auf Auszahlung der Neuwertspitze nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Landgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass es an einer Wiederherstellung innerhalb der Frist fehle und die Wiederherstellung auch nicht durch den Vertrag sichergestellt sei. Denn der Vertrag sei unter der aufschiebenden Bedingung einer Genehmigung geschlossen worden und damit noch in der Schwebe. Nichts anderes ergebe sich aus § 242 BGB.
Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vortrages, der Anträge und der Entscheidungsgründe wir...