Leitsatz (amtlich)
Die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis aller Umstände, die einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB begründen, setzt voraus, dass der Ausgleichsberechtigte Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen, von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, von denjenigen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen, und schließlich von den Umständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen (vgl. BGH, NJW 2010, S. 60 ff. Rn. 21).
Die Rüge von Mangelsymptomen allein begründet nicht die grob fahrlässige Unkenntnis eines Baubeteiligten von den eine Haftung begründenden Tatsachen. Dazu ist auch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Mangelursache erforderlich. Erst wenn bei einem Baubeteiligten die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den Mangelursachen vorliegt, kann dieser erkennen, ob er selbst für den Mangel haftet und/oder ein anderer Baubeteiligter.
Normenkette
BGB §§ 254, 426 Abs. 1-2; VOB/B 2002 § 13 Nrn. 3, 5; VVG § 86 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 4 O 451/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 02.05.2019 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg teilweise abgeändert und neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 86.164,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 21 % der Klägerin und zu 79 % der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 110.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Gesamtschuldnerausgleich aus übergegangenem Recht.
Die bei der Klägerin versicherte Planungsgesellschaft (im Weiteren: Versicherungsnehmerin der Klägerin) wurde von der Stadt P - unter Einbeziehung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B) - mit der Durchführung des Bauvorhabens "T-Bad P" (später "Bad AquaP") beauftragt. Die Beklagte erhielt im Rahmen dieses Bauvorhabens den Auftrag zur Durchführung sämtlicher Estrich- und Fliesenarbeiten. Hierzu beauftragte sie ihrerseits unter anderem den Streitverkündeten.
Im Zuge der Arbeiten wurden von der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegenüber der Beklagten mehrere Mängel gerügt, die im Abnahmeprotokoll vom 25.07.2008 und im Begehungsprotokoll vom 10.07.2012 festgehalten wurden und von einem Vertreter der Beklagten unterschrieben worden sind. Im Anschluss daran fanden Erörterungen bezüglich eines Termins zur Mangelbeseitigung statt, zu dem es letztlich aber nicht mehr kam.
Aufgrund der Mängel wurde die Versicherungsnehmerin der Klägerin durch den Bauherrn in Anspruch genommen. Der Bauherr leitete zunächst beim Landgericht Arnsberg ein selbständiges Beweisverfahren ein. In diesem verkündete die Versicherungsnehmerin der Klägerin der Beklagten mit Schriftsatz vom 04.11.2013, zugestellt am 09.11.2013, den Streit. In der Folge trat die Beklagte dem selbständigen Beweisverfahren auf Seiten der Versicherungsnehmerin der Klägerin bei. In dem selbständigen Beweisverfahren wurde der Sachverständige M mit der Begutachtung der Mängel beauftragt. In dem sich anschließenden Klageverfahren trat die Beklagte dem Rechtsstreit auf Seiten des Bauherrn bei. Durch Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 10.11.2016 wurde die Versicherungsnehmerin der Klägerin zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 127.651,07 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die Klägerin leistete eine entsprechende Schadensersatzzahlung an den Bauherrn.
Streitig ist zwischen den Parteien, ob und zu welcher Quote die Mängel auf Planungsfehlern der Architekten oder auf Ausführungsfehlern der Beklagten beruhen, sowie, ob potenzielle Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte verjährt sind. Die Klägerin geht von einer Haftung ihrer Versicherungsnehmerin von 20 % aus und forderte mit Schreiben vom 02.12.2016 erfolglos von der Beklagten die Zahlung von 80 % des geleisteten Schadensersatzes.
Mit der Klage hat die Klägerin die Zahlung von 102.120,86 EUR nebst Zinsen sowie die Feststellung geltend gemacht, dass die Beklagte verpflichtet sei, alle weiteren Schäden zu 80 % zu ersetzen, die der Klägerin aus dem Regressanspruch des Bauherrn betreffend das Bauvorhaben Bad AquaP aus der Sanierung der Fliesenschäden - mit Ausnahme des Bereichs am Sportbecken - noch entstehen werden, und die Klägerin von Ansprüchen des Bauherrn freizustellen.
Die Kläger...