Leitsatz (amtlich)
1. Die Beteiligten eines Erstunfalls, bei dem Teile vom Kraftfahrzeug des Beklagten auf die Fahrbahn gelangen, die von einem nachfolgenden Kraftfahrer überfahren werden (Zweitunfall), haften dem durch den Zweitunfall geschädigten Kläger mit einer Gesamtquote als eine Haftungseinheit. Dies gilt solange, als der Beklagte die Unabwendbarkeit des Erstunfalls für sich nicht beweisen kann.
2. Zu welchem Anteil im Innenverhältnis die Beteiligten des Erstunfalls den Schaden aus dem Erstunfall zu tragen haben, betrifft deren Innenverhältnis und nicht das Außenverhältnis zum Geschädigten des Zweitunfalls.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 6 O 106/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.10.2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.795,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2017 zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner weiterhin verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 404,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.04.2018 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen, die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 42 % und der Kläger 58 %.
Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Beklagten 85 % als Gesamtschuldner und der Kläger 15 %.
Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner weiterhin 85 % der Kosten der Nebenintervenienten.
Die Nebenintervenienten tragen ihre Kosten im Übrigen selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. 1. Der Kläger macht im vorliegenden Rechtsstreits Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalles geltend, der sich am frühen Morgen des 25.08.2017 in H auf der BAB ... in Fahrtrichtung F ereignete. Zur vorgenannten Zeit kollidierte der Kläger mit dem von ihm nach eigenen Angaben mit etwa 140-150 km/h auf der linken Fahrspur gefahrenen Volvo XC 60 mit dort unbeleuchtet liegenden Teilen des bei der Beklagten zu 2) versicherten Motorrades Honda CBR 900 des Beklagten zu 1), der zuvor mit diesem Krad verunfallt und zu Fall gekommen war. Dabei streiten die Parteien u.a. darüber, wie genau es zu diesem Vorunfall gekommen ist, ob insbesondere der Beklagte zu 1) oder der mit seinem bei der Streithelferin zu 1) des Klägers versicherten PKW Hyundai IX 55 ebenfalls unfallbeteiligte jetzige Streithelfer zu 2) des Klägers - Herr T- diesen Vorunfall verschuldet hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht, dem - wie (in Kopie) dem Senat - auch die Ermittlungsakten 20 Js 817/17 Staatsanwaltschaft Essen vorgelegen haben, hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T (jetziger Streithelfer zu 2 des Klägers), I und H2. Es hat sodann mit dem angefochtenen Urteil die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei insgesamt unbegründet, da eine Ersatzpflicht der Beklagten für die streitgegenständlichen Schäden bereits dem Grunde nach nicht bestehe. Zwar seien die streitgegenständlichen Schäden i.S. des § 7 Abs. 1 StVG beim Betrieb des Beklagtenfahrzeuges entstanden, liege keine höhere Gewalt i.S. des § 7 Abs. 2 StVG vor und stehe nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme eine Unvermeidbarkeit i.S. des § 17 Abs. 3 StVG für keine Seite - insbesondere auch nicht für den Beklagten zu 1) - fest. Bei der deshalb vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge trete indessen der Verursachungsanteil des Beklagten zu 1) ganz zurück. Dem Kläger sei nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme entweder ein unfallursächlicher Geschwindigkeitsverstoß oder ein unfallursächliches Aufmerksamkeitsverschulden sowie zugleich ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO anzulasten. Schon nach eigenem Vortrag sei er unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Sätze 2 und 4 StVO mit einem den Umständen - Dunkelheit, Fahrzeuge mit eingeschaltetem Warnblinklicht rechtsseitig vor ihm - nicht hinreichend angepassten, sogar noch oberhalb der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo gefahren. Dem Beklagten zu 1) könne indes kein schuldhafter Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Ziffer 2 StVO angelastet werden. Inwieweit den Beklagten zu 1) an dem Sturzgeschehen selbst ein Verschulden im Verhältnis zum Zeugen T treffe, sei bzgl. des streitgegenständlichen Kollisionsgeschehens im Verhältnis zum Kläger unerheblich. Dementsprechend sei auf Beklagtenseite hier kein unfallursächliches Verschulden, sondern lediglich die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zu berücksichtigen, di...