Leitsatz (amtlich)
1. Zu den formellen Anforderungen (u.a. Verwendung eines einheitlichen "Rahmens", Angabe von Telefon- und Telefaxnummer) an die "Widerrufsbelehrung" und an das "Muster-Widerrufsformular" (Anl. 1 und 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 bzw. § 2 Abs. 2 EGBGB in der Fassung bis zum 27.5.2022).
2. Der Beginn der Widerrufsfrist hängt nicht von einer Erfüllung der Hinweispflicht gem. Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB a.F, § 356 Abs. 4 BGB a.F. ab.
3. Ein nachträgliches Provisionsversprechen des Maklerkunden ist jedenfalls dann als Eingehung eines Maklervertrags (und nicht als selbstständiges Provisionsversprechen) zu verstehen, wenn die Übernahme der Courtageverpflichtung in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Nachweisleistung steht und zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem noch weitere, wenn auch für die Entstehung des Courtageanspruchs unerhebliche Leistungen des Maklers zu erwarten sind und wenn ferner noch ein (generelles) Interesse des Maklerkunden daran besteht, im Hinblick auf etwaige Aufklärungs- und Informationspflichten des Maklers in Bezug auf das Objekt einen Maklervertrag einzugehen.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 012 O 113/21) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 1.6.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der nach den Urteilen vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für die Berufung: 22.689,60 EUR
Gründe
A. Die Kläger wurden durch ein Internetinserat der Sparkasse A auf ein zum Verkauf stehendes Einfamilienhaus in Z/Aer (..) aufmerksam. Auf ihre Kontaktanfrage erhielt die Klägerin am 02.06.2020 eine E-Mail des Mitarbeiters B der Sparkasse A, der u.a. die PDF-Datei "FI_VVI" angehängt war. Diese beinhaltete auf Seite 1 "VERBRAUCHERINFORMATIONEN ..." und auf Seite 2 zwei mit Text gefüllte Kästchen betr. Belehrungen zum Widerruf, ein "Muster-Widerrufsformular" sowie eine Erklärung "Vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts" (s. Bl. 43 d.A.). Die Klägerin "klickte" in der E-Mail befindliche Schaltflächen an, womit sie bestätigte, die Widerrufsbelehrung vollständig gelesen und verstanden zu haben, und wonach sie eine Erklärung gem. § 356 Abs. 4 S. 1 BGB (a.F.) abgab. Der Klägerin wurde daraufhin mittels eines Links das Exposé zugänglich gemacht.
Am 04.06.2020 fand ein erster Besichtigungstermin statt. Am Abend des Montag, 08.06.2020, besichtigten die Kläger das Objekt erneut in Gegenwart der Miteigentümerin/Verkäuferin und des Mitarbeiters B der Sparkasse A. Auf die von den Klägern gewünschte Herabsetzung des Kaufpreises um 20.000,00 EUR fand sich die Verkäuferin zu einer Reduzierung um 10.000,00 EUR auf 489.000,00 EUR bereit. B erklärte sinngemäß, den Klägern durch eine Herabsetzung der Provision von 5 % (zzgl. USt.) auf 4 % (zzgl. USt.) entgegenkommen zu wollen. Schriftliche Vereinbarungen wurden dabei nicht getroffen; B kündigte jedoch an, ein Schriftstück übersenden zu wollen. Er füllte unter dem Datum des 09.06.2020 ein Formular der Beklagten mit der Überschrift "Courtagevereinbarung" (Untertitel: "Courtagevereinbarung mit Interessenten und Auftrag für Notartermin für Kauf") in den betreffenden Feldern handschriftlich aus; als "Auftraggeber" setzte er "D und E C" ein. Unter Ziff. 2 und 3 des darunter befindlichen vorgedruckten Textes (Courtage-Satz dort handschriftlich eingefügt) heißt es auszugsweise:
2. Dem Auftraggeber ist bekannt, dass die Sparkasse das Maklergeschäft in Vertretung für die F Immobilien GmbH (..) betreibt und der Maklervertrag mit der F Immobilien GmbH (..) als Auftragnehmerin zu Stande kommt. ...
3. Für den Nachweis der Vermittlung zahlt der Auftraggeber ... an die Auftragnehmerin eine Courtage von 4,76 % inkl. ges. MwSt. ...
...
8. Der Auftraggeber bevollmächtigt die Sparkasse/Auftragnehmerin, Herrn ... mit der Erstellung des Kaufvertrages zu beauftragen ...
Dieses Dokument gelangte - als elektronischer Anhang - am 9.6.2021 in das E-Mail-Postfach der Klägerin mit einem an beide Kläger adressierten Begleitschreiben u.a. folgenden Inhalts:
Sehr geehrte Frau C,
sehr geehrter Herr C,
anbei die angesprochene Courtagevereinbarung mit der Bitte um Durchsicht, Unterzeichnung und Rückgabe. ...
Der "Courtagevereinbarung" war nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts keine Widerrufsbelehrung beigefügt. Der Kläger unterzeichnete das Dokument am 12.6.2020 und leitete es (gescannt) zurück.
Am 10.07.2020 schlossen die Kläger mit den Verkäufern einen notariellen Kaufvertrag über das Einfamilienhaus zum Kaufpreis in Höhe von 489.000,00 EUR. Unter § 13 "bestätigen" Verkäufer und Käufer, "mit der Sparkasse A ... einen Maklervertrag abgeschlossen [zu] haben, der durch den...