Leitsatz (amtlich)
1. Eine ordnungsgemäße Belehrung gem. Art. 246a § 1 Abs. 2. Satz 1 Nr. 1 EGBGB in der Fassung bis zum 27.05.2022 (a.F.) über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 kann auch bei bestimmten Abweichungen vom Text der Widerrufsbelehrung gem. Anlage 1 (hier u.a. Nichtangabe der Telefaxnummer) gegeben sein.
2. Die spätere Unterzeichnung einer "Courtagevereinbarung" durch die Maklerkunden, mit der eine zwischenzeitlich vereinbarte Herabsetzung der Courtage dokumentiert wird, sowie eine ihnen diesbezüglich erteilte Widerrufsbelehrung führen nicht zum Wiederaufleben eines bereits gem. § 356 Abs. 4 S. 1 BGB (a.F.) erloschenen Widerrufsrechts.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 016 O 116/21) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 05.01.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der nach den Urteilen vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.167,50 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Anfang des Jahres 2020 wurden die Kläger auf eine im Internet zum Verkauf angebotene Maisonette-Wohnung aufmerksam. In dem Objektangebot war neben dem Kaufpreis i.H.v. 480.000,00 EUR eine Käuferprovision i.H.v. 5,95 % inklusive gesetzlicher Mehrwertsteuer ausgewiesen.
Nachdem die Kläger ihr Interesse an der Immobilie bekundet hatten, übersandte die K. GmbH (im Folgenden: K), die als Vertreterin der Beklagten vor Ort tätig ist, den Klägern am 30.01.2020 per E-Mail (Anl. B2) ein eingeschränktes Web-Exposé zu dem Objekt, das über einen Link aufgerufen werden konnte.
In der E-Mail wurde im Hinblick auf ein bestehendes gesetzliches Widerrufsrecht auf die im Anhang der E-Mail angefügten Verbraucherinformationen verwiesen. Die Kläger wurden ferner darauf hingewiesen, dass im Web-Exposé erst dann weitere Informationen zu dem Objekt angezeigt werden könnten, wenn die Kläger im unteren Teil des Web-Exposés ihre Zustimmung dazu erteilten, dass die Maklerleistung unverzüglich erbracht werden soll. Als Anhang war das PDF-Dokument "O. GmbH Vorvertragliche Verbraucher-Information" beigefügt. Dieses bestand aus einer Verbraucherinformation der Beklagten für Maklerkunden bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen, einer Widerrufsbelehrung mit Muster-Widerrufsformular und Information zum vorzeitigen Erlöschen des Widerrufsrechts sowie einem zusätzlichen Kunden-Informationsblatt zum Vertragsschluss und Widerrufsrecht (Anl. B3).
Als Verfasser dieser Dokumente war die Beklagte ausgewiesen. In der Verbraucherinformation heißt es unter Ziff. 1 "Der Maklervertrag mit der O. GmbH...". Unter Ziff. 2 ("Identität des Unternehmers, ...") wird ebenfalls die Beklagte genannt. Auch in der Widerrufsbelehrung ist als potentieller Empfänger einer Widerrufserklärung die Beklagte angegeben.
Noch am gleichen Abend bestätigten die Kläger durch Anklicken entsprechender Schaltflächen in dem eingeschränkten Web-Exposé, dass sie die Widerrufsbelehrung vollständig gelesen und verstanden hätten. Weiterhin gaben sie durch Anklicken entsprechender Schaltflächen folgende vorformulierte Erklärung ab:
Ich bin damit einverstanden und verlange ausdrücklich, dass Sie mir das vollständige Objektangebot zur Verfügung stellen um damit mit der Ausführung der beauftragten Dienstleistung zu beginnen. Mir ist bekannt, dass ich bei vollständiger Vertragserfüllung durch Sie, die bereits in der Bereitstellung des vollständigen Web-Exposés liegen kann, mein Widerrufsrecht verliere.
Unmittelbar darauf erhielten die Kläger eine entsprechende Bestätigung der Abgabe dieser Erklärungen mit einem Link zum vollständigen Web-Exposé (Anl. B4). Diesen Link betätigten die Kläger, um sich das Exposé (Anl. K1) anzeigen zu lassen.
Da die Kläger weiterhin Interesse am Kauf der Immobilie hatten, nahmen sie am Folgetag, dem 31.01.2020, Kontakt zum Prokuristen der K Herrn W. J. auf, der das Objekt betreute. Sie vereinbarten einen Besichtigungstermin für den 07.02.2020, der wie geplant stattfand. Die Kläger erklärten noch am selben Tag per E-Mail, dass sie an der Wohnung sehr interessiert seien und die nächsten Schritte gerne schnellstmöglich besprechen würden.
In den folgenden Tagen kam es zum Austausch weiterer E-Mails und zu Telefonaten, in denen diverse Fragen der Kläger zum Objekt und wesentliche Aspekte der Vertragsgestaltung geklärt wurden.
Am 18.02.2020 teilten die Kläger mit, dass sie bereit seien, die Wohnung zu einem Kaufpreis von 465.000,00 EUR - mithin 15.000,00 EUR weniger, als ...