Leitsatz (amtlich)
1. Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG verweist statisch auf das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 20.07.2000.
2. Die aufgrund des Auffangtatbestandes des § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG bestehende Meldepflicht löst nicht automatisch ein auf § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG i.V.m. Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG gestütztes Werbeverbot aus. Die Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz in Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG ist insoweit einschränkend auszulegen.
Normenkette
GG Art. 12, 14, 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 2; HWG § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 12 Anlage Abschn. A Nr. 1; IfSG §§ 6-7; UWG §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 16 O 54/21) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.06.2022 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld (16 O 54/21) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der klagende, in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Verband nimmt die Beklagte, ein international operierendes und traditionsreiches A Familienunternehmen der B Group, auf Unterlassung von gesundheitsbezogener Werbung ("Corona-Prophylaxe") für eine von ihr entwickelte und vertriebene Mundspüllösung ("C Mund- und Rachenspülung") sowie auf Erstattung von Abmahnkosten nebst Zinsen in Anspruch, wobei die Parteien nicht um irreführende und deshalb unzulässige Wirkversprechen, sondern ausschließlich um die Rechtsfrage streiten, ob ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG i.V.m. Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG vorliegt.
Die Beklagte bewarb die besagte Mundspüllösung auf der von ihr betriebenen Homepage www.C.com wie aus der Anlage K1 (1. und 2. Teil), auf die ergänzend Bezug genommen wird, ersichtlich u.a. folgendermaßen:
"Mundspülung ergänzend zu bestehenden Corona-Maßnahmen
Corona-Prophylaxe durch physikalische Reduzierung der Virenlast im Mund- und Rachenraum
Reduziert die Virenlast der Mundhöhle und des Rachenraums
Das Risiko einer Tröpfchenübertragung der Coronaviren wird verringert
Oberflächenaktive Substanzen vermindern die Bindung zwischen Viren und menschlichen Zellen
Schnelle Reinigung innerhalb von einer Minute
Klinisch getestet - an COVID-19-Patienten getestete Rachen- und Mundspülung - signifikante Abnahme der Virenlast um bis zu 90 %
Medizinprodukt
Mit hilfreicher Dosierkappe
Alkoholfrei"
Mit Schreiben vom 26.04.2021 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie unter Fristsetzung bis zum 14.05.2021 erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie unter weiterer Fristsetzung zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 260,00 EUR auf.
Der Kläger hat mit näheren Ausführungen die Ansicht vertreten, die beanstandete Werbung verstoße gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG i.V.m. Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG.
Mit der am 29.10.2021 zugestellten Klage hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, insgesamt höchstens zwei Jahre, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern ihrer Komplementärin, zu unterlassen, wörtlich und/oder sinngemäß für das Produkt "C Mund- und Rachenspülung" mit folgenden Aussagen zu werben und/oder werben zu lassen,
b) Corona-Prophylaxe durch physikalische Reduzierung der Virenlast im Mund- und Rachenraum;
c) Reduziert die Virenlast der Mundhöhle und des Rachenraums;
d) Das Risiko einer Tröpfchenübertragung der Coronaviren wird verringert;
e) In Laboruntersuchungen (ohne Patienten) konnten bis zu 99,999 % der Coronaviren inaktiviert werden;
f) Durch das Mittel werde verhindert, dass das Corona-Virus in die menschlichen Zellen eindringen könne;
g) Das Mittel wirke im gleichen Maße auch bei Corona-Virus-Mutationen;
h) Das Mittel sei ein zusätzlicher Baustein zum Schutz vor Corona-Viren;
wie geschehen auf der Internetseite www.C.com ausweislich der Screenshots vom 26.04.2021 (Anlage K1) und
2. an ihn 260,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten und hat mit näheren Ausführungen die Ansicht vertreten, die streitgegenständliche Werbung unterfalle nicht dem Verbot des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG i.V.m. Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwisch...