Leitsatz (amtlich)
Ein Schuldanerkenntnis durch Zahlung der Haftpflichtversicherung setzt eine Einigung mit dem Geschädigten und einen wirksamen Anerkenntnisvertrag voraus. Beanstandet der Geschädigte die Zahlung umgehend als zu gering, kann er sich im nachfolgenden Prozess nicht darauf berufen, dass die Versicherung ihre Haftung dem Grunde nach durch die Zahlung bereits anerkannt habe.
Die eigene Tierhütereigenschaft (§ 834 BGB) schließt Ansprüche aus § 833 S. 1 BGB gegen die Tierhalterin nicht von vornherein aus, wenn der Kläger behauptet, der Wallach der Beklagten habe seine Stute bei einem Ausbruch "hengstischen" Aggressionsverhaltens verletzt.
Der durch ein Reitpferd geschädigte Tierhüter muss jedoch den Entlastungsbeweis führen, dass ihn an der Entstehung des Schadens kein Verschulden trifft bzw. sein Verschulden nicht ursächlich geworden ist. Gelingt dies nicht, so kann die deliktische Gefährdungshaftung der Pferdehalterin ausgeschlossen oder entsprechend § 254 BGB gemindert sein.
Normenkette
BGB §§ 833-834, 780-781
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 04.04.2012; Aktenzeichen 3 O 376/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 4.4.2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Bochum abgeändert.
Die Klage bleibt abgewiesen.
Auf die Widerklage der Beklagten bleibt festgestellt, dass dem Kläger gegen die Beklagte aus Anlass des Ereignisses vom 28.10.2009 auf dem Hofgelände des Klägers, bei dem der Wallach D die Stute R angegriffen haben soll, keine über die in diesem Prozess geltend gemachte Teilforderung hinausgehenden Ansprüche zustehen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 87 % und die Beklagte zu 13 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger macht wegen eines Vorfalls vom 28.10.2009 Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Pferdehalterin geltend. Die Beklagte war Eigentümerin des 1985 geborenen Wallachs D. Das Pferd war in den Stallungen des Klägers untergestellt. Dort befand sich neben anderen Pferden auch die Stute R des Klägers. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Wallach der Beklagten an diesem Tag bei einem Ausbruch "hengstischen" aggressiven Verhaltens die Stute R attackiert und verletzt hat.
Der Kläger hat behauptet, der Vorfall habe sich ereignet, als der Wallach von seiner Ehefrau, der Zeugin C, an Halfter und Führstrick aus der Stallung geführt worden sei und sich plötzlich losgerissen habe. Dann sei er durch einen Holzzaun, der mit einem Elektrodraht gesichert gewesen sei, gebrochen und zur Stute auf die Weide gelaufen. Er habe ihr einen Beckenbruch und Verletzungen an der Scheide beigebracht. Die damals 13-jährige Stute sei zuvor sechs Monate während der Turniersaison anderweitig untergebracht gewesen und erst wenige Tage zuvor auf den Hof des Klägers zurückgekehrt.
Vor dem Vorfall sei die damals 13-jährige Stute als talentiertes Springpferd 150.000 EUR wert gewesen. Anzurechnen sei die vorgerichtliche Zahlung der Versicherung der Beklagten i.H.v. 18.000 EUR auf den Verkehrswert. Von der gesamten Werteinbuße i.H.v. 132.000 EUR mache er einen Teilbetrag von 40.000 EUR geltend.
Die Beklagte hat bestritten, dass die Verletzungen von dem Wallach der Beklagten herrührten. Es sei unerklärlich, dass der Wallach derartiges aggressives Verhalten gezeigt habe. Eine sexuelle Aktivität sei als Motivation auszuschließen.
Die Zahlung der Versicherung bedeute kein Anerkenntnis. Wegen der im Prozess gewonnenen Erkenntnisse sei der Kläger auch zur Rückzahlung des durch die Versicherung gezahlten Betrages einschließlich Behandlungskosten i.H.v. insgesamt 19.237,91 EUR verpflichtet. Mit ihrer Widerklage hat die Beklagte Rückzahlung begehrt sowie eine negative Feststellungsklage bezüglich weiter gehender Schadensersatzansprüche des Klägers erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage nach Anhörung der Parteien, Vernehmung der Zeugin C und Einholung eines Gutachtens des tierärztlichen Sachverständigen Dr. T2, der sein Gutachten mehrfach ergänzt und mündlich erläutert hat, abgewiesen und der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben.
Ansprüche aus § 833 Abs. 1 BGB seien nicht gegeben. Die Zahlung der Versicherung habe nicht zu einem Anerkenntnis der Schadensersatzpflicht der Beklagten geführt. Die Versicherung habe den Vorfall vor der Zahlung zwar gutachterlich untersuchen lassen, jedoch in erster Linie eigenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wollen. Sie habe auch nur auf Grundlage der angeforderten Unterlagen gezahlt und nicht die im Rechtsstreit festgestellten Umstände gekannt. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Versicherung endgülti...