Entscheidungsstichwort (Thema)
Architektenhaftung für fehlerhafte Statikplanung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Haftung des planenden Architekten für unterbliebene statische Verformungsberechnungen, deren Notwendigkeit sich auch ohne das Fachwissen eines Statikers erschließt.
2. Der Bauherr muss sich in seinem Vertragsverhältnis zum planenden Architekten das mitwirkende Verschulden des von ihm selbständig beauftragten Statikers nicht zurechnen lassen.
Normenkette
BGB a.F. §§ 254, 278, 635
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 12.02.2010; Aktenzeichen 1 O 12/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.2.2010 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Hagen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streitgehilfen trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des durch das Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die zur Begründung ihres Rechtsmittels wie folgt ausführt:
Die Ansicht des LG, sie hätte bei sorgfältiger Erledigung der ihr übertragenen Koordinierungspflichten erkennen können und müssen, dass die vorgelegte Statik der Streitverkündeten zu 12 und 13 lückenhaft gewesen sei, weil diese keine Verformungsberechnungen enthalten habe, sei nicht haltbar. Als Architektin verfüge sie nicht über die erforderlichen fachlichen Voraussetzungen, die ihr vorgelegte Statik dahin zu überprüfen, ob Berechnungen wegen möglicher Formveränderungen erforderlich seien und ob solche ggfalls angestellt und in der statischen Berechnung auch enthalten seien.
Auch hätten hier keine Umstände vorgelegen, die ihr hätten Veranlassung geben können, Überlegungen zur Erforderlichkeit von statischen Berechnungen mit Blick auf mögliche Formveränderungen anzustellen. Sie habe davon ausgehen können, dass auch Formveränderungen von den Statikern berücksichtigt worden seien. Denn solche Berechnungen hätten die Streitverkündeten zu 12 und 13 bereits nach dem Leistungsbild der Phase 2 des § 64 Abs. 3 HOAI " Beraten in statisch - konstruktiver Hinsicht unter Berücksichtigung der Gebrauchstauglichkeit und der Wirtschaftlichkeit" als Grundleistung zu erbringen gehabt. Deshalb finde sich in keiner Statik ein Hinweis darauf, dass Verformungen berücksichtigende Berechnungen vorgenommen oder nicht vorgenommen worden seien. Dass nach dem Vortrag der Streitverkündeten zu 12 und 13 diese Leistung von der Klägerin nicht beauftragt worden sei, habe sie der Statik nicht entnehmen können. Mit der Berechnung von Formveränderungen - so behauptet die Beklagte erstmals in der Berufung - seien die Streitverkündeten zu 12 und 13 im Übrigen von der Klägerin auch beauftragt worden, was sie u.a. durch das Zeugnis der Streitverkündeten zu 12 und 13 unter Beweis stelle.
Die auf die Ausführungen des Sachverständigen H. gestützte Argumentation des LG, sie habe u.a. deshalb Veranlassung zur Nachfrage gehabt, weil weder auf dem Deckblatt noch in den Vorbemerkungen Hinweise auf durchgeführte Verformungsberechnungen enthalten gewesen seien, sei daher nicht haltbar. Auch hätten entgegen dem LG keine in dem Objekt selbst begründeten Besonderheiten vorgelegen, die ihr hätten Veranlassung geben können, die Notwendigkeit von statischen Berechnungen mit Blick auf Formveränderungen zu überdenken. Es handele sich nicht um eine besondere Baumaßnahme, bei der sich Fragen der Formveränderung aufdrängten. Auch seien identische Objekte nach denselben Statikerplänen in der Vergangenheit von anderen Architekten mehrfach erfolgreich umgesetzt worden. Die Offensichtlichkeit einer Planungslücke sei auch deshalb zu verneinen, weil selbst dem Prüfstatiker das Fehlen von Verformungsberechnungen nicht aufgefallen sei.
Zu Unrecht habe das LG jedenfalls ein Mitverschulden der Klägerin verneint. Die Streitverkündeten zu 12 und 13 seien als Erfüllungsgehilfen der Klägerin anzusehen, weil sie von der Klägerin mit der Vorlage der Statik beauftragt worden seien, die die Klägerin ihr - der Beklagten - zur Verfügung habe stellen müssen. Unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH in NJW 2009, 582, der sich entnehmen lasse, dass den Bauherrn eine als Obliegenheit ausgestaltete Mitwirkungspflicht treffe, dem bauleitenden Architekten ordnungsgemäße Pläne zur Verfügung zu stellen, vertritt die Beklagte die Ansicht, dass sich dieser Grundsatz auch auf das Verhältnis zwischen dem planenden und ausführenden Architekten einerseits und dem Bauherrn andererseits übertragen, der ersterem eine für die Errichtung des Bauwerks erforderliche Statik zur Verfügung stelle. Auch hier könne der planende Archite...