Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschriften der §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG und 1 PflVG sind entsprechend Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten bzgl. der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung richtlinienkonform dahin auszulegen, dass zwar nach § 1 PflVG nur solche Fahrzeuge haftpflichtzuversichern sind, die (auch) auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet werden sollen, eine bereits bestehende Haftpflichtversicherung aber auch Schadensfälle abdeckt, die sich mit dem versicherten Fahrzeug auf auch außerhalb von öffentlichen Straßen und Wegen gelegenen Geländen ereignen.
2. Der enthaltene Begriff "Benutzung eines Fahrzeugs" ist nicht auf Situationen der Benutzung im Ver-kehr auf öffentlichen Straßen beschränkt und nicht von Merkmalen des Geländes abhängig ist, auf dem dieses Kraftfahrzeug benutzt wird; keine Vorschrift der Haftpflichtversicherungsrichtlinie beschränkt die Reichweite der Pflichtversicherung und den Schutz, den diese Pflicht den durch von Kraftfahrzeugen verursachte Unfälle Geschädigten verleihen will, auf die Fälle der Verwendung der Fahrzeuge in einem bestimmten Gelände oder auf bestimmten Straßen (EuGH, U.v. 28.11.2017 - C-514/16 - juris). Vor diesem Hintergrund sind.
3. Der Senat schließt sich der vom BGH vertretenen weiten Auslegung der Haftungsnorm des § 7 Abs. 1 StVG an. Für sie spricht entscheidend der vom BGH im Tiefgaragenfall angeführte weite Schutzzweck der Haftungsvorschrift des § 7 Abs. 1 StVG, nämlich Dritte von allen von einem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren zu schützen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Schaden durch ein Versagen von Fahrzeugkomponenten entstanden ist, die für die Fortbewegungs- und die Transportfunktion des Fahrzeugs zwingend erforderlich sind oder nur der Bequemlichkeit der Fahrzeugnutzer oder anderen Zwecken des Fahrzeuges wie etwa dessen Wohn-funktion dienen.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1; VVG § 115
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 7 O 11/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.07.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld (Az.: 7 O 11/17) einschließlich des ihm zugrundeliegenden Verfahrens insoweit teilweise aufgehoben, als das Landgericht mit ihm den Klageantrag zu 1.) abgewiesen und über die Verfahrenskosten entschieden hat.
Die Klage wird hinsichtlich des Klageantrages zu 1.) dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Auf Antrag der Klägerin wird das Verfahren zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des mit dem Klageantrag zu 1.) geltend gemachten Schadensersatz- und Zinsanspruches sowie die Kosten - auch des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus nach § 86 Abs. 1 VVG übergegangenen Recht ihrer Versicherungsnehmerin, der J GmbH, auf Ersatz von Versicherungsleistungen in Anspruch, die sie und die T AG (im Folgenden: T AG) aus Anlass eines Brandschadensfalles an die Firma X GmbH (im Folgenden: T2 GmbH) zu zahlen hatte.
Die Klägerin zu 70 % und die T AG zu 30 % sind gemeinsam Sach- und Ertragsausfallversicherer der J GmbH. Mitversichert ist die T2 GmbH und deren auf dem Grundstück Daimlerring 30 in Rödinghausen gelegene Betriebsstätte, zu der eine Betriebshalle mit Vordach gehört.
Am 03.09.2013 war unter dem Vordach der Betriebshalle das bei dem Beklagten haftpflichtversicherte Wohnmobil mit dem amtlichen Kennzeichen ...-... ... abgestellt, welches gegen Abend in Brand geriet. Das Feuer griff von dem Fahrzeug auf das Hallenvordach und anschließend die Betriebshalle selbst über, wodurch an dem Betriebsgebäude sowie den darin befindlichen Inventar und gelagerten Warenbestand erheblicher Sachschaden entstand.
Unter dem 05.09.2013 beauftragte der Beklagte das Sachverständigenbüro M mit Feststellungen zur genauen Brandursache. Wegen des Ergebnisses des vom Sachverständigen N erstellten Gutachtens vom 08.01.2014, an dessen Kosten sich die Klägerin zu 50 % beteiligte, wird auf die Anlage K 4 der Klageschrift Bezug genommen. Außerdem holte die Klägerin weitere Gutachten zur Höhe der durch den Brand entstandenen Schäden (Gebäudeschaden, Betriebseinrichtungsschaden, Vorräteschaden, Betriebsunterbrechungsschaden) ein.
Nachdem die Klägerin und die T AG den Schadensfall gegenüber der T2 GmbH reguliert hatten, nahm die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 21.03.2016 in Regress und forderte ihn zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 639.458,65 EUR auf. Als der Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2016 jegliche Zahlung mit der Begründung ablehnte, dass der Schaden nicht durch den Betrieb des Wohnmobils entstanden sei, beauftragte die Klägerin ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten, welche den Beklagten mit vorprozessualen Schreiben vom 05.12.2016 nochmals vergeblich unter Fristsetzung bis zum 15.12.2016 zur Zahlung aufforderten.
Mit Schreiben vom 22.12.2006 ermächtigte die T AG die...