Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 023 O 28/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das am 05.08.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Münster teilweise abgeändert.

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden insgesamt zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist gem. §§ 528, 538 Abs. 1 ZPO dahingehend abzuändern, dass die Anträge auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen sind.

1. Da der Senat am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2021 bereits entschieden hat, entfaltet die Antragsrücknahme vom 11.03.2021 keine Wirkung. Denn die Antragsrücknahme im Arrest- und Verfüfungsverfahren kann auch nach der von dem Verfügungskläger herangezogenen Rechtsprechung nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens erfolgen (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 920 Rn. 13). Da gegen das Urteil des Senats keine Revision stattfindet (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO), ist das Verfahren mit der Verkündung vom 10.03.2021 formelll rechtskräftig i.S.d. § 705 ZPO abgeschlossen (vgl. Zöller-Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 705 Rn. 7; OLG Hamburg, Urteil vom 25.07.2018, 3 U 51/18, juris, Rn. 26).

2. Die Begründetheit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt das Bestehen eines streitigen Rechtsverhältnisses (Verfügungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Sicherung oder Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (Verfügungsgrund) voraus. Es kann offenbleiben, ob der Verfügungskläger ein zulässiges Rechtsschutzziel gegen den richtigen Anspruchsgegner verfolgt und ob ein Verfügungsanspruch besteht, der der Sicherung oder Regelung bedarf. Denn jedenfalls fehlt es an einem Verfügungsgrund.

a) Allerdings steht die Vermutungswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG, die die formale Rechtsstellung des Verfügungsbeklagten im Verhältnis zur Gesellschaft absichert, dem Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung nicht von vornherein entgegen. Denn § 16 GmbHG trift keine Aussage über die materielle Berechtigung an einem Geschäftsanteil, so dass materielle und formale Gesellschafterstellung auseinanderfallen können (BGH, Urteil vom 10.11.2020, II ZR 211/19, juris, Rn. 17 m.w.N). Es kann daher im Prätendentenstreit, wie ihn die Parteien hier führen, ein Bedürfnis für die einstweilige Regelung der Ausübung der Gesellschafterrechte entstehen (BGH, Urteil vom 17.12. 2013, II ZR 21/12, NZG 2014, 184, Rn. 39 - obiter dictum). Der vermeintliche, nicht (mehr) in der Gesellschafterliste geführte Gesellschafter wird durch die Zuordnung eines Widerspruchs nach § 16 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 GmbHG nur gegen einen gutgläubigen Erwerb des umstrittenen Gesellschaftsanteils, nicht aber gegen (Umgestaltungs-)Maßnahmen des formal Berechtigten geschützt. Ob ein etwaiger Anspruch auf Unterlassung der Umsetzung solcher Maßnahmen gegen den Gesellschafter oder gegen die Gesellschaft zu richten ist, die gefasste Gesellschafterbeschlüsse durchzuführen hat, kann hier ebenso offenbleiben wie die Frage, ob der Kläger einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht hat.

b) Denn der Verfügungskläger hat keinen Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940, 920 Abs. 2, 936, 294 ZPO glaubhaft gemacht. Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in Kostellationen wie der vorliegenden eine Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit voraus, die nicht schon aufgrund bloßer abstrakter Erwägungen angenommen werden kann, sondern konkret im Einzelfall begründet werden muss. Zudem kommt sie angesichts der gesetzlichen Wertung des § 16 Abs. 1 GmbHG in der Regel nur in Betracht, wenn eine Existenzgefährdung oder die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlusts droht (vgl. KG Berlin, Urteil vom 10.12.2015 - 23 U 99/15, BeckRS 2016, 6854). Die Befürchtung des Verfügungsklägers, der Verfügungsbeklagte werde seinen Anspruch auf Rückübertragung des Geschäftsanteils mit der lfd. Nr. 4 durch Umgestaltungsmaßnahmen vereiteln, beruht nur auf abstrakten Überlegungen, aber nicht auf konkreten Anhaltspunkten. Die bisherigen Maßnahmen des Verfügungsbeklagten (Satzungsänderung zur Verlegung des Sitzes der Gesellschaft, Erlöschen einer Prokura) deuten nicht darauf hin, dass der Verfügungsbeklagte die Umgestaltung des umstrittenen Geschäftsanteils plant. Die Berufung weist zutreffend darauf hin, dass das Landgericht nicht nachvollziehbar begründet hat, warum für die Anträge zu Nrn. 1 bis 3 ein Verfügungsgrund fehlen, bei dem Antrag zu Nr. 4 aber gegeben sein soll. Der Kläger hat damit nicht dargetan, dass ihm bis zur endgültigen Klärung der Streitfragen wesentliche, nicht wieder gutzumachende Nachteile drohen, § 940 ZPO.

3. Die Entscheidungen zur Kostentragung und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 6

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