Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverstoß - Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse bei einem gemeindlichen Telemedienangebot
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes - oder zur Vermeidung eines unangemessenen Aufwandes - kann zur Konkretisierung des Klagebegehrens ausnahmsweise auf Daten Bezug genommen, die auf einem digitalen Speichermedium gesichert sind.
2. Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG bestimmen sich - wie auch bei sonstigen gemeindlichen Publikationen - jedenfalls im Verhältnis zu einem (auch) im Bereich der Printmedien tätigen Wettbewerber unter Berücksichtigung der aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits und der Garantie des Instituts der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 20.12.2018 - I ZR 112/17 - Crailsheimer Stadtblatt II). Dabei ist das kommunale Telemedienangebot mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf seine Neutralität und Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und unter Einbeziehung des gesamten Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 8 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 3 O 262/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.11.2019 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (3 O 262/17) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin vertreibt über ihren Verlag neben Tageszeitungen in Form von Printmedien unter anderem auch digitale Medien, wie z.B. das digitale Nachrichtenportal "A.de". Die beklagte Stadt B betreibt das Internetportal "b.de". Dieses ist Teil einer von der Beklagten im Jahr 2012 entwickelten Kommunikationsstrategie zum Zwecke der Positionierung der Stadt B im Wettbewerb mit anderen Kommunen und zur Stärkung des Identitätsbewusstseins und der Bewältigung der Gemeinschaftsaufgaben durch die Bevölkerung. Veröffentlicht werden nicht nur amtliche Mitteilungen, wie z.B. Informationen über die Stadtverwaltung, Bürgerservice, Fahrpläne des ÖPNV, sondern auch redaktionelle Inhalte. Entsprechend der über das Internetportal abrufbaren Eigenwerbung soll das "Stadtportal" b.de umfassend und aktuell über das Geschehen in Stadt, Verwaltung und Stadtbezirken informieren, die neuesten Meldungen veröffentlichen und Veranstaltungen bekannt machen (vgl. K 29). Unter dem Stichwort "B Redaktion" fand sich jedenfalls im Mai 2017 folgender Eintrag (K 30):
"Wie hat B die BVB-Meisterschaft gefeiert? Wo sehen Bürger Highlights bei der nächsten Kulturveranstaltung der City? Kurz: Was bewegt die Stadt? Die B-Redaktion berichtet umfassend mit journalistischem Know-how in Wort und Bild. Markenzeichen der Redaktion ist die vertiefende Berichterstattung mit Bebilderung rund um alle B'er Themen wie etwa Politik, Sport, Wirtschaft, Kultur, Freizeit. Die schnelle Nachricht, der verständliche Bericht, der Newsticker zu speziellen Anlässen gehören genauso zum Repertoire und lebendige Interviews mit Menschen dieser Stadt. Je nach Anlass ziehen informative oder emotionsgeladene Bilderstrecken den Betrachter in den Bann. Außerdem dokumentiert die Redaktion Ereignisse, die für die Stadt eine besondere Bedeutung haben, mit Texten und Fotos, die dann auf dem Internetportal oder in gedruckter Form von Interessierten nachzulesen sind."
Das Telemedienangebot "b.de" war im Mai 2017 in die nachfolgend aufgeführten Rubriken in Form von Unterseiten gegliedert:
- "Leben in B"
- "Freizeit und Kultur"
- "Wirtschaft"
- "Tourismus"
- "Rathaus & Bürgerservice".
Die Unterseiten waren wiederum - teils vielfach - untergliedert. Innerhalb des Online-Angebots existierte im Mai 2017 die (Unter-)Rubrik "Marktplatz", über welche Onlinewerbung verschiedener Anbieter abrufbar war (vgl. Anlage K31). Über diese Werbung wurde das Portal teilweise auch finanziert. Am 15.05.2017 waren über das "Stadtportal" unter anderem die in dem Hilfsantrag näher bezeichneten Artikel, Interviews und Veranstaltungshinweise veröffentlicht (vgl. Anlagen K 2 - K 20).
Die Klägerin mahnte die Beklagte am 22.05.2017 wegen des ihrer Auffassung nach wettbewerbswidrigen Telemedienangebots vom 14.05.2017/04.05.2017 ab. Dazu rügte die Klägerin, dass die Berichterstattung mit dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Staatsfreiheit der Presse unvereinbar sei. Unter Fristsetzung bis zum 31.05.2017 forderte die Klägerin...