Leitsatz (amtlich)

Sind in einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig - nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten -, kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an.

 

Normenkette

BGB §§ 195, 199; SGB X §§ 116, 119; ZPO § 421

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 19.12.2014; Aktenzeichen 4 O 384/13)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 19.12.2014 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bochum wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung ihrer am 20.10.1968 geborenen Versicherten Frau M. Diese erlitt am 09.11.1983 als Sozia einen Verkehrsunfall, bei dem sie schwere Verletzungen erlitt, die zu einem Grad der Behinderung von 100 % führten. Nach Erlangung des Hauptschulabschlusses und Besuch eines Förderlehrgangs im Bürobereich absolvierte sie 1991 mit Erfolg die vom Arbeitsamt geförderte Ausbildung zur Bürofachkraft. Während der Ausbildungszeit führte das Arbeitsamt Rentenversicherungsbeiträge an die Klägerin ab. Im Anschluss war Frau M ab dem 01.12.1998 im Umfang von 18 Wochenstunden im Büro eines Autohauses tätig. Mit der Insolvenz des Autohauses im Jahre 2008 wurde Frau M arbeitslos. Am 08.09.2009 stellte Frau M bei dem Versicherungsamt der Stadt P einen Antrag auf Bewilligung von Erwerbsminderungsrente. Ziff. 10.6 dieses Antrags enthielt einen Hinweis darauf, dass die zum Rentenantrag führende Erwerbsminderung Folge des Verkehrsunfalls vom 09.11.1983 sei, für den die N, der damalige Krafthaftpflichtversicherer des Beklagten, eintrittspflichtig sei. Die Leistungsabteilung der Klägerin verfügte nach Eingang des Rentenantrags aufgrund der internen Geschäftsanweisung vom 27.09.1988 die Abgabe an die Regressabteilung, in der der Antrag am 28.09.2009 einging. Seit dem 01.09.2009 bezieht Frau M volle Erwerbsminderungsrente.

Mit Schreiben vom 18.01.2011 meldete die Klägerin gegenüber der N ihre Ersatzansprüche an und hat diese im vorliegenden Verfahren, neben einem materiellen Vorbehalt für gem. §§ 116, 119 SGB X übergegangene zukünftige Leistungen, mit insgesamt 119.997,21 EUR geltend gemacht. Der Beklagte hat gegenüber den Ansprüchen, soweit dies für das Berufungsverfahren noch von Belang ist, die Einrede der Verjährung erhoben. Die Leistungsabteilung der Klägerin, so hat der Beklagte behauptet, habe vor dem 31.12.2001 über Mitteilungen des Krankenversicherers der Frau M, der C, und des M1 Kenntnis über bestehende Regressansprüche erhalten. Wenn die Leistungsabteilung entgegen der Geschäftsanweisung den Vorgang nicht an die Regressabteilung weitergegeben habe, liege insoweit jedenfalls eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von Schaden und Schädiger vor.

Die Klägerin hat erwidert, ihre Regressabteilung habe erstmals am 28.09.2009 Kenntnis von bestehenden Regressansprüchen erhalten. Sie hat vorgetragen, im vorliegenden Schadensfall niemals eine solche Mitteilung der C und/oder des M1 erhalten zu haben.

Das LG hat gem. Beschluss vom 18.07.2014 die C und die Regionaldirektion NRW (vormals: M1) um Auskunft gebeten, ob dort aussagekräftige Unterlagen vorhanden seien, denen sich entnehmen lasse, ob an die Klägerin versandte Mitteilungen Hinweise auf mögliche Ersatzansprüche enthielten. Die Auskunft blieb ergebnislos, da die dort vorhandenen Vorgänge nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist bereits vernichtet worden waren.

Durch das angefochtene Urteil, auf das gem. § 540 ZPO verwiesen wird, soweit sich aus dem Folgenden nichts anderes ergibt, hat das LG den Beklagten zur Zahlung von 82.218,88 EUR nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, nach Anspruchsübergang gemäß § 116 SGB X der Klägerin sämtliche weiteren Leistungen zu ersetzen, die diese aufgrund des Verkehrsunfalls vom 09.11.1983 erbringt, sowie der Klägerin die weiteren zukünftigen Beitragsregressansprüche gem. § 119 SGB X anlässlich des Verkehrsunfalls vom 09.11.1983 zu ersetzen.

Der Zahlbetrag setzt sich aus dem von der Klägerin für Beiträge zur Krankenversicherung geltend gemachten Betrag iHv 17.903,89 EUR und einem Beitragsregressanspruch iHv 64.314,99 EUR für den Zeitraum ab dem 01.01.2002 zusammen. Hinsichtlich dieser Ansprüche hat das LG eine Verjährung verneint. Der Beklagte habe nicht bewiesen, dass die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis von Schaden und Schädiger der Regressabteilung der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt als von dieser vorgetragen vo...

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