Leitsatz (amtlich)

1. Genügt der mittelbare Besitzer als Unfallgeschädigter bei einfachem Bestreiten seiner Eigentümerstellung durch den Schädiger seiner sekundären Darlegungslast, indem er zu den Umständen seines Besitz- und Eigentumserwerbs konkret und schlüssig vorträgt, ist es im Hinblick auf die Vermutung des § 1006 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 BGB am Schädiger, gemäß § 292 ZPO den Beweis des Gegenteils zu führen, was hinreichenden Tatsachenvortrag und Beweisantritt erfordert (in Abgrenzung zu OLG Hamm Beschl. v. 7.5.2021 - 7 U 9/21, Ls. 1 [siehe insoweit oben]).

2. Ein Wechsel in der Besetzung des Gerichts nach Durchführung der Beweisaufnahme erfordert - so auch hier - nicht generell die Wiederholung der Beweiserhebung, so dass ein nachfolgendes Urteil nicht generell unter Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz nach §§ 309, 355 ZPO ergeht (BGH Urt. v. 18.10.2016 - XI ZR 145/14, BGHZ 212, 286 Rn. 28; BGH Beschl. v. 25.1.2018 - V ZB 191/17, NJW 2018, 1261 Rn. 10).

3. Vom Berufungsgericht ist insoweit im Hinblick auf § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu prüfen, ob das Erstgericht zulässigerweise nur das berücksichtigt hat, was - gerade auch im Hinblick auf den persönlichen Eindruck eines Zeugen oder einer Partei - auf der Wahrnehmung aller an der Entscheidung beteiligten Richter beruht oder aktenkundig ist und wozu die Parteien sich erklären konnten, und ob sonst Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen.

4. Im Übrigen unterliegt ein Verstoß gegen §§ 309, 355 ZPO dem Rügeverlust nach § 295 Abs. 1 ZPO (im Anschluss an BGH Urt. v. 4.12.1990 - XI ZR 310/89, NJW 1991, 1180 = juris Rn. 7).

5. Wird ein Verstoß gegen §§ 309, 355 ZPO bereits durch die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung mit anderer Gerichtsbesetzung, die ersichtlich auf dem bisherigen Beweisergebnis des Gerichts in seiner bisherigen Besetzung fußt, offenbar, muss eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes noch erstinstanzlich gerügt werden. Eine Rüge im Berufungsverfahren ist verspätet (§ 295 Abs. 1 ZPO).

6. Die Behauptung von Vorschäden seitens des Schädigers ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen von Vorschäden "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein", ist willkürlich und zwingt nicht zur Beweiserhebung (in Abgrenzung zu OLG Hamm Beschl. v. 7.5.2021 - 7 U 9/21, Ls. 2 [siehe insoweit oben]).

7. Wenn sich der Geschädigte gewerblich auch mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasst, ist ihm die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote zuzumuten (im Anschluss an BGH Urt. v. 25.6.2019 - VI ZR 358/18, r+s 2019, 539 Rn. 15 ff.).

8. Ein vom Geschädigten tatsächlich erzielter, über dem vom Sachverständigen ermittelten Restwert liegender Mehrerlös ist, damit der Geschädigte nicht an dem Unfall "verdient", zu berücksichtigen, wenn ihm - wie hier - keine überobligationsmäßigen Anstrengungen des Geschädigten zugrunde liegen, was der Schädiger zu beweisen hat (im Anschluss an BGH Urt. v. 7.12.2004 - VI ZR 119/04, r+s 2005, 124 Rn. 17; BGH Urt. v. 15.6.2010 - VI ZR 232/09, r+s 2010, 348 Rn. 10, 9).

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 4 O 113/18)

 

Tenor

Das Urteil ist rechtskräftig.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03.02.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen (Az.: 4 O 113/18) unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten bleiben als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.398,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2018 zu zahlen und den Kläger im Verhältnis zu Rechtsanwalt A von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 201,70 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 87 % und die Beklagten zu 13 % als Gesamtschuldner. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 86 % und die Beklagten zu 14 % als Gesamtschuldner.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil, soweit es aufrechterhalten bleibt, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1 als Fahrerin und Halterin und die Beklagte zu 2 als Haftpflichtversichererin des Fahrzeugs Chevrolet Kalos (Hersteller GM DAEWOO) mit dem amtlichen Kennzeichen ... aufgrund eines behaupteten Verkehrsunfalls vom **.2018 gegen 19:45 h auf der B-Straße in C, bei dem das vom Zeugen D, dem Bruder des Klägers, geführte Fahrzeug Porsche Cayenne mit dem amtlichen Kennzeichen ^ beschädigt worden sein soll, auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte zu 2, die der Beklagten zu 1 im Wege der Streithilfe beigetreten ist, hat sowohl das Eigentum des Klägers an dem beschädigten Porsche als auch das Unfallereignis als solches bestritten. Jedenfalls habe der Kläger in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt. Auch fehle es an einem Schaden des Klägers, der den bereits vorgeschädigten Porsche Caye...

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