Leitsatz (amtlich)
1. Die Haftung des Halters gem. § 7 StVG und die Haftung des Fahrers gem. § 18 StVG sind gem. § 8 Nr. 1 StVG ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug - hier einen Mähdrescher - verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann.
2. Eine Haftung des Fahrers eines Mähdreschers kommt jedoch gem. § 823 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn dieser auf einer Fahrstrecke, die aufgrund ihrer Breite eine gefahrlose Begegnung mit dem Gegenverkehr nicht zulässt, ohne besondere Sicherungsmaßnahmen, z.B. ein Begleitfahrzeug, fährt.
3. Eine Haftung des Halters, der gleichzeitig Betriebsinhaber ist, kommt ebenfalls gem. § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens in Betracht, wenn dieser bei der Einsatzplanung und Streckenauswahl nicht dafür Sorge trägt, dass die Fahrzeuge ausreichend breite Strecken befahren oder hinreichend abgesichert sind.
Normenkette
StVG §§ 7-8, 18; BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 22.11.2012; Aktenzeichen 3 O 266/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.11.2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Paderborn (Az.: 03 O 266/11) - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.531,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.8.2011 abzgl. des gemäß Abrechnungsschreiben vom 12.4.2013 von dem M als Haftpflichtversicherer gezahlten Betrages i.H.v. 1.287,89 EUR sowie 13.333 EUR abzgl. des gemäß Abrechnungsschreiben vom 12.4.2013 von dem M als Haftpflichtversicherer gezahlten Betrages i.H.v. 10.000 EUR zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger - unter Berücksichtigung eines zurechenbaren Eigenverschuldens bzw. Mitverschuldens von 1/3 - sämtliche materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die seinem Sohn X, geb. am... 1991, in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 14.8.2010 in M-J entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers 1. Instanz tragen der Kläger zu 56 % und die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 44 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) 1. Instanz tragen der Kläger zu 33 % und die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 67 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) 1. Instanz trägt der Kläger.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers 2. Instanz tragen der Kläger zu 67 %, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 13 % und der Beklagte zu 2) allein zu weiteren 20 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) 2. Instanz tragen der Kläger zu 67 % und der Beklagte zu 1) zu 33 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) 2. Instanz tragen der Kläger zu 33 % und der Beklagte zu 2) zu 67 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) 2. Instanz trägt der Kläger.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus eigenem und aus abgetretenem Recht seines Sohnes - des Zeugen X - aufgrund eines Unfalls, der sich am 14.8.2010 auf der H-Straße (K 13) zwischen den Ortschaften H und J ereignete.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 107 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat der Klage nach Anhörung der Parteien, Vernehmung der Zeugen X, L und O sowie Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. y nebst mündlicher Erläuterung in vollem Umfang stattgegeben.
Die Haftung des Beklagte zu 1) hat das LG auf § 18 Abs. 1 StVG, die des Beklagten zu 2) auf 7 Abs. 1 StVG und die des Beklagten zu 3) auf § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG gestützt. Die gem. § 17 StVG vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge führe zu einer vollen Haftung der Beklagten. Dem Beklagten zu 1) seien sowohl ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO als auch ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO vorzuwerfen. Offen gelassen hat das LG, ob dem Zeugen X seinerseits ein Verstoß gegen das Gebot des Fahrens auf halbe Sicht gem. § 3 Abs. 1 S. 5 StVO vorzuwerfen ist. Nach der Rechtsauffassung des LG würden die insoweit allenfalls geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung von 10 km/h sowie die Betriebsgefahr des Leichtkraftrades jedenfalls vollständig hinter die Verursachungsbeiträge der Beklagten zurücktreten. Das gelte insbesondere auch, weil die Betrieb...