Leitsatz (amtlich)
1. Ein Grund- und Teilurteil gem. §§ 301, 304 ZPO kann unzulässig sein, wenn über einen geltend gemachten Feststellungsantrag nicht (konkludent) mit entschieden wird. Insoweit ist es auch unzulässig, die Entscheidung über einen Mitverschuldensanteil i.S.v. § 254 Abs. 1 BGB dem Betragsverfahren vorzubehalten.
2. Im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung kann ein sog. Betriebswegeunfall, der eine Entsperrung des Haftungsprivilegs verhindert, bei einem vom Arbeitgeber organisierten Sammeltransport angenommen werden.
3. Zur Frage der Anwendung der Grundsätze zum gestörten Gesamtschuldnerausgleich, wenn der für die Folgen eines Verkehrsunfalls einstandspflichtige Fahrzeughalter außerhalb der Sozialversicherung steht und ein Direktanspruch gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gegeben ist.
4. Bei der Beurteilung der internen Haftungsverteilung zwischen Halter und Fahrer des unfallverursachenden Fahrzeuges ist grundsätzlich auf den in § 840 Abs. 2 und 3 BGB zum Ausdruck genommenen Rechtsgedanken abzustellen. Es bleibt offen, ob eine davon abweichende Haftungsverteilung im Innenverhältnis erfolgen kann, wenn sich die dem Fahrzeug innewohnende Betriebsgefahr in besonderer Weise realisiert hat und sich unabhängig von einem Verschulden des Fahrers als primäre Unfallursache darstellt.
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 19.02.2016; Aktenzeichen 12 O 366/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 2 und zu 3 wird das am 19.02.2016 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Essen insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 2 und 3 entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 08.05.2011 auf der Autobahn A2 in Fahrtrichtung P im Bereich C geltend.
Er befand sich als Beifahrer im verunfallten PKW S, der vom Beklagten zu 1 gefahren wurde und dessen Halter der Beklagte zu 2 war. Die Beklagte zu 3 war der Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges. Der Kläger und der Beklagte zu 1 waren zum Unfallzeitpunkt bei der Firma T (spätere Firmenbezeichnung T GmbH) mit Sitz in P1-F angestellt. Sie befanden sich gemeinsam mit einem weiteren Mitfahrer im Fond, dem Zeugen E, auf dem Weg zu einer Baustelle in den Niederlanden, auf der sie schon seit Längerem eingesetzt waren.
Den S hatte der Beklagte zu 2 seinem Bruder, dem Geschäftsführer der T-Gerüstbau, zur Verfügung gestellt, nachdem der bis dahin genutzte firmeneigene PKW W nach der Rückfahrt am Freitag vor dem Unfall wegen eines technischen Defektes ersetzt werden musste. Auslöser des Unfalls war ein geplatzter Reifen hinten rechts. Aufgrund eines anschließenden leichten Fahrfehlers verlor der Beklagte zu 1 die Kontrolle über das Fahrzeug. Nach einem Anprall an der Mittelleitplanke lösten die Airbags aus. Der Kläger verletzte sich am Kopf und erlitt einen Schädelbasisbruch. Die weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge des Unfalls sind zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Folgen für seine Arbeitsfähigkeit. Darüber hinaus ist streitig, ob der Kläger während der Fahrt den Sicherheitsgurt angelegt hatte.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein vom Gericht festzusetzendes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens i.H.v. 43.000,00 EUR (unter Berücksichtigung bereits gezahlter 7000,00 EUR), nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Klagezustellung am 21.01.2015 zu zahlen,
2. a) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 37.054,49 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,
b) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn für Januar 2015 eine Rentenzahlung von 1.873,05 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger sämtlichen ihm aus dem Unfall vom 08.05.2011 auf der Autobahn A2 Fahrtrichtung P in C entstehenden zukünftigen Schaden zu ersetzen haben, insbesondere einen bei dem Kläger eingetretenen Schaden wegen Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit; hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger eine in das Ermessen des Gerichts gestellte angemessene monatliche Geldrente zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat nach Anhörung des Klägers, des Beklagten zu 1 sowie Vernehmung der Zeugen E und L ein Grund- und Teilurteil erlassen, mit dem es die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Klage abgewiesen hat. Darüber hinaus hat es den Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner immateriellen und materiellen Schäden infolge des...