Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 435/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 22.07.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund beider Urteile jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz, da in dem von ihr hergestellten Fahrzeug mit dem Motor EA 288 unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut sein sollen.

Mit Kaufvertrag vom 22.12.2017 (Anl. K 1a) erwarb der Kläger von der B Automobil-Vertrieb GmbH & Co. KG in C einen PKW Marke D, 140 kW, zu einem Kaufpreis von 30.640,00 EUR bei einem Kilometerstand von 22.358 km. Das Fahrzeug ist mit dem von der X AG entwickelten und gefertigten Dieselmotor Typ EA288 ausgestattet, welcher u.a. über ein sogenanntes "Thermofenster" verfügt.

Das Fahrzeug wies am Tag vor der letzten mündlichen Verhandlung beim Landgericht einen Kilometerstand von 48.728 km auf.

Der Kläger hat von der Beklagten Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises, die Feststellung des Annahmeverzuges und den Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.809,75 EUR verlangt und geltend gemacht, die Beklagte habe ihn dadurch, dass sie in das Fahrzeug den Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten "Thermofensters" eingebaut habe, vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Durch das Thermofenster werde bei niedrigen Temperaturen der Grad der Abgasrückführung reduziert, wodurch die Stickoxidemissionen erheblich anstiegen. Weitere Manipulationen bestünden in Gestalt einer unzulässigen Aufheizstrategie (SCR-Katalysator), einer Manipulation des AdBlue-Verbrauchs sowie einer unzulässigen Erkennung des Lenkwinkels. Der Schaden bestehe darin, dass der Kläger ein Geschäft abgeschlossen habe, das er bei Kenntnis der Sachlage nicht getätigt hätte. Die Naturalrestitution müsse deshalb dahin gehen, dass er so gestellt werde, als hätte er das Fahrzeug nicht gekauft.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer ... an den Kläger 28.179,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 30.12.2017 sowie 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer ... in Annahmeverzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.809,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sämtliche Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, bestritten, und gemeint, eine sittenwidrig vorsätzliche Schädigung liege nicht vor. Eine Abgasrückführung finde vielmehr in sämtlichen EA288-Fahrzeugen in einem Temperaturbereich von - 24°C bis + 70°C in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur statt. Die Abgasrückführung sei daher bei praktisch allen Fahrten aktiv und werde lediglich bei Extremtemperaturen zum Motorschutz außer Kraft gesetzt. Ein Rückruf seitens des Kraftfahrt-Bundesamtes liege - insoweit unstreitig - nicht vor. Der von dem Kläger als Anlage 1e zur Akte gereichte Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts beziehe auf einen anderen Motorentyp.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, welche Voraussetzung für sämtliche denkbaren vertraglichen und deliktischen Ansprüche sei, habe der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte dargetan. In den EA288-Fahrzeugen komme nicht die aus der EA189-Thematik bekannte Umschaltlogik zum Einsatz. Unmittelbar nach Bekanntwerden der EA189-Thematik habe das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Untersuchungen auch in Bezug auf die Motoren des Typs EA288 in Auftrag gegeben. Das BMVI habe das Kraftfahrt-Bundesamt angewiesen, spezifische Nachprüfungen durch unabhängige Gutachter zu veranlassen. Diese "KBA-Felduntersuchungen" umfassten insgesamt 56 Messungen an 53 Fahrzeugmodellen, von denen mehrere mit dem Motortyp EA288 ausgestattet gewesen seien. Nach diesen Prüfungen habe das BMVI festgestellt, dass in den Motoren des Typs EA288 die aus den EA189-Fällen bekannte Umschaltlogik nicht zum Einsatz komme. So heiße es im Bericht der Untersuchungskommission: "Hinweise, die aktuell laufende Produktion der Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA 288 (Euro 6) seien ebenfalls von Abgasmanipulationen betroffen, haben sich hierbei auf Grundlage der Überprüfungen als unbegründet erwiesen". Eine unzulässige Abschaltein...

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