Leitsatz (amtlich)
1. Bewegt sich ein Fußgänger auf dem Gehweg parallel zum Fahrbahnrand und nähert sich dabei einem Fußgängerüberweg, der in rechtem Winkel zu seiner Gehrichtung verläuft, so werden dadurch für einen in die gleiche Richtung fahrenden Fahrzeugführer noch nicht die Pflichten gem. § 26 StVO (Heranfahren mit mäßiger Geschwindigkeit, Ermöglichen des Überquerens, nötigenfalls Warten) ausgelöst.
2. Ein Sicherheitsabstand von 0,60 m zum Bordstein kann für einen Pkw mit Anhänger im Bereich eines Fußgängerüberweges je nach dessen konkreter Ausgestaltung, der Fahrbahnbreite und der Verkehrslage ausreichen.
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 20.12.2002; Aktenzeichen 2 O 88/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.12.2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Paderborn wird zurückgewiesen.
Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Schmerzensgeldansprüche gem. §§ 823, 847 BGB a.F. i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG, da ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 1) nicht festzustellen ist. Die Betriebsgefahr des von ihm geführten Gespanns, welche gem. § 7 StVG eine Haftung für die Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens begründet, rechtfertigt keine höhere Haftungsquote als die vom LG zugrundegelegten 50 %, da ein unfallursächliches Verschulden der Klägerin feststeht, welches gem. § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB anspruchsmindernd berücksichtigt werden muss.
1. Ein Verschulden des Beklagten zu 1) ist auch in der weiteren Beweisaufnahme durch den Senat nicht nachgewiesen worden.
1.1 Zur Annäherungs- und Kollisionsgeschwindigkeit des Gespanns haben sich in tatsächlicher Hinsicht keine neuen Erkenntnisse ergeben. Objektive Spuren, welche eine Geschwindigkeitsberechnung zuließen, sind nicht vorhanden. Es ist daher nicht nachzuweisen, dass die Beklagte zu 1) schneller als mit 30 km/h - das ist die Geschwindigkeit, die er eingeräumt hat - gefahren ist. Ein Verschuldensvorwurf kann auf diese Geschwindigkeit nicht gegründet werden. An der Unfallstelle lag die zulässige Höchstgeschwindigkeit nach den Angaben in der Verkehrsunfallanzeige bei 50 km/h. Bei der Verkehrssituation war die Geschwindigkeit von 30 km/h auch nicht unangemessen hoch. Im Übrigen hat der Sachverständige im Senatstermin ausgeführt, dass für den Beklagten zu 1), nachdem die Überquerungsabsicht der Klägerin für ihn erkennbar wurde, der Unfall nur bei Schrittgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Würde man diese in der konkreten Verkehrssituation fordern, so würden die Sorgfaltsanforderungen erheblich überspannt.
1.2 Bevor die Überquerungsabsicht der Klägerin erkennbar wurde, brauchte der Beklagte zu 1) angesichts der konkreten Ausgestaltung des Fußgängerüberweges sein Fahrverhalten nicht vorsorglich darauf ausrichten, dass möglicherweise die Klägerin, welche sich zunächst in gleicher Richtung wie er auf den Fußgängerüberweg zu bewegte, ihre Gehrichtung ändern und zum Überqueren der Fahrbahn unter Benutzung des Zebrastreifens ansetzen würde. Eine vorsorgliche weitere Herabsetzung der Geschwindigkeit in der Annäherungsphase war deswegen nicht geboten.
1.3 Dem Beklagten zu 1) kann auch nicht vorgeworfen werden, den Unfall durch einen zu geringen Seitenabstand vom rechten Fahrbahnrand verschuldet zu haben.
Eine Eingrenzung dieses Seitenabstandes war dem Sachverständigen nur innerhalb einer gewissen Bandbreite möglich aufgrund der vorgefundenen Blutlache i.V.m. der Zeugenangabe, dass die Klägerin gewissermaßen in sich zusammengesackt sei. Der Sachverständige hat daraus gefolgert, dass der Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand 0,30 m betragen habe mit einer Toleranz von jeweils 0,30 m nach beiden Seiten. Es ist daher nicht bewiesen, dass der Seitenabstand geringer als 0,60 m war. Genauere Erkenntnisse sind auch aus einem interdisziplinären technisch-medizinischen Gutachten unter Beteiligung eines Mediziners, wie es die Klägerin angesprochen hat, nicht zu erwarten. Denn hier spielen die medizinischen Aspekte keine wesentliche Rolle. Wie die Klägerin nach der Kollision zu Boden gegangen ist, ist vielmehr eine Frage der Kollisionsmechanik. Hierzu verfügt der Sachverständige, dem die Ergebnisse einer Vielzahl von simulierten Fußgängerunfällen (Dummy-Kollisionen) zur Verfügung standen, die im Sachverständigenbüro Sch. und B. durchgeführt und dokumentiert worden sind, über ausreichende Kenntnis.
Ein Seitenabstand von 0,60 m war nicht zu gering. Der Senat tritt auch insoweit der Beurteilung des LG bei, welches auf die konkreten Gegebenheiten an der Unfallstelle (Fahrbahnbreite, Grünstreifen zwischen Fahrbahn und Fußgänger/Radweg im Annäherungsbereich, Gegenverkehr auf der Fahrbahn) abgestellt hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass die nachweisbare Fahrzeuggeschwindigkeit von 30 km/h deutlich unter der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h lag, und dass keineswegs dichter Fußgäng...