Entscheidungsstichwort (Thema)

Gratiszeitung mit Werbebeilagen

 

Leitsatz (amtlich)

Es stellt keine unzumutbare Belästigung von Verbrauchern dar, wenn in Briefkästen, die mit einem Sperrvermerk wie "keine Werbung" versehen sind, eine Gratiszeitung mit lose eingelegten Werbebeilagen eingeworfen wird. Der Briefkasteninhaber unterscheidet im Hinblick auf seinen Sperrvermerk zwischen reinen Werbeprospekten und Gratiszeitungen mit Werbebeilagen, wobei es ihm bei den Zeitungen gerade auch auf den redaktionellen Teil mit seinen auch lokalen Informationen ankommen kann.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 10, § 7 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 06.01.2011)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 6.1.2011 verkündete Urteil der II. Kammer für Handelssachen des LG Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin verteilt gewerblich Prospektwerbung von Unternehmen an Haushalte im Münsterland und auch in Hamm. Die Beklagte vertreibt in Hamm, Ahlen, Beckum und Soest zweimal wöchentlich erscheinende kostenlose Anzeigenblätter mit einem redaktionellen Teil. Die Anzeigenblätter werden zusammen mit lose eingelegten Werbeprospekten an die Haushalte verteilt. Die Verteilung erfolgt auch in Briefkästen, an denen sich Aufkleber mit dem Hinweis darauf befinden, dass Prospektwerbung unerwünscht sei.

Die Beklagte verteilte außerdem vor einiger Zeit an Haushalte Aufkleber mit dem Aufdruck "Stadt-Anzeiger + Wochenblatt ja - Werbung NEIN" (vgl. Bl. 11).

Die Klägerin sah in diesen Vorgehensweisen einen Wettbewerbsverstoß. Sie ließ die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 19.8.2010 (Bl. 19 ff.) erfolglos abmahnen. Mit der Klage hat sie Unterlassung der Verteilung der Anzeigenblätter zusammen mit losen Werbeprospekten in Briefkästen mit Sperrvermerk betreffend den Einwurf von Werbeprospekten, Unterlassung der Verteilung des oben beschriebenen Aufklebers und die Erstattung von Anwaltskosten für die Abmahnung i.H.v. 900,- EUR begehrt.

Sie hat gemeint, mit der Verteilung der Werbeprospekte als Beilage zu dem Gratisblatt werde das vom Verbraucher ausgesprochene Verbot des Einwurfs solcher Prospekte in dessen Briefkasten umgangen. Da die Beilagen gegenüber den eigentlichen Anzeigenblättern mit ihrem redaktionellen Teil ein erhebliches Übergewicht hätten, dienten die Anzeigenblätter quasi nur als eine Art von Umschlag für die Werbeprospekte, um den Sperrvermerk umgehen zu können. Die Briefkasteninhaber hätten durch die entsprechenden Aufkleber den Sperrvermerk bereits ausreichend und dauerhaft bekundet. Sie müssten ihn nicht für solche Eventualitäten noch einmal gesondert dokumentieren. Über den Sperrvermerk setze sich die Beklagte einfach hinweg und verschaffe sich durch die darin zu sehende unzulässige Belästigung der Verbraucher einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. Das könne sie, die Klägerin, als Mitbewerberin um so weniger hinnehmen, als die Beklagte bei ihren gemeinsamen Auftraggebern den falschen Eindruck erwecke, sie habe ein Konzept gefunden, um das ansonsten unbedingt zu beachtende Werbeverbot in zulässiger Weise umgehen zu können. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Abonnements-Zeitungen vergleichen, in denen zulässigerweise auch Werbeprospekte als Beilage enthalten seien. Ein Zeitungsabonnent könne aufgrund des Vertragsverhältnisses in seinem Sinne auf die Verlage einwirken oder zumindest das Abonnement kündigen. Eine solche Möglichkeit besitze der Briefkasteninhaber bei der Zustellung der kostenlosen Anzeigenblätter dagegen nicht. Selbst wenn also die Anzeigenblätter als solche möglicherweise in einen gesperrten Briefkasten eingeworfen werden dürften, müssten jedenfalls die losen Werbeprospekte vorher entfernt werden, was ohne weiteres möglich und zumutbar sei.

Durch die Verteilung des Aufklebers verschaffe sich die Beklagte eine Möglichkeit, die von ihr ersonnene Umgehung des Sperrvermerks zu besiegeln. Außerdem versuche sie auf diese Weise aktiv, Prospektverteilungsgesellschaften wie sie, die Klägerin, durch die angesprochene Differenzierung des Sperrvermerks vom Markt zu drängen. In diesem schwerwiegenden Eingriff in den Markt sei eine gezielte Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 10 UWG zu sehen.

Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt. Sie hat behauptet, ihre Anzeigenblätter und die darin befindlichen losen Werbebeilagen seien ein einheitliches Produkt und würden auch vom Empfänger als ein solches verstanden. Der Empfänger könne entscheiden, ob er den Einwurf der Blätter ganz oder gar nicht wünsche. Entweder nehme er wegen des redaktionellen, ihn insbesondere über die örtlichen Gegebenheiten ausführlich informierenden Teils die erkennbar zur Finanzierung dienenden Anzeigen und...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge