Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 4 O 275/20)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. Februar 2021 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Berufungsverfahren auf 173.545,42 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung.

Sie betreibt in der A-Straße ... in C das Restaurant "B" sowie einen dazugehörigen Kioskbetrieb. Für diese Betriebsstätte unterhält sie bei der Beklagten eine Geschäftsversicherung unter Einschluss einer Ertragsausfallversicherung, im Rahmen derer mit einer Jahresversicherungssumme von 1.800.000 EUR auch die Gefahr der Betriebsschließung für eine Haftzeit von 30 Tagen versichert ist. Dem Versicherungsvertrag liegen, soweit für das Berufungsverfahren von Belang, unter anderem Zusatzbedingungen der Beklagten für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden von Betriebsschließung infolge Infektionskrankheiten aufgrund behördlicher Anordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) - Fassung 2016 - (im Folgenden: AVB Betriebsschließung) zugrunde.

Diese lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren

1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG in der Fassung vom 20.07.2000) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstäte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; ...

2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den § 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger:

a) Krankheiten

...

b) Krankheitserreger

...

...

§ 4 Ausschlüsse

...

4. Krankheiten und Krankheitserreger

Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.

..."

In den in § 1 Nr. 2 AVB Betriebsschließung unter Buchstaben a) und b) enthaltenen Aufzählungen ist weder die Krankheit COVID-19 noch der diese verursachende Krankheitserreger SARS-CoV-2 enthalten. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den Versicherungsschein vom 24. September 2019 (Bl. 120 ff. der elektronischen Gerichtsakten I. Instanz [im Folgenden: eGA-I und für die Berufungsinstanz eGA-II]) sowie auf die AVB Betriebsschließung (eGA-I 32 ff.) Bezug genommen.

Am 17. März 2020 erließ der Oberbürgermeister der Stadt C auf der Grundlage des § 28 IfSG in der seinerzeit geltenden Fassung eine Allgemeinverfügung, in der zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 unter anderem die Schließung von Gaststätten angeordnet wurde. Eine entsprechende Untersagung des Betriebs gastronomischer Einrichtungen erfolgte auf der Grundlage des § 32 IfSG durch § 9 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO) vom 22. März 2020 (GV.NRW. S. 177a). Während dieses sog. (ersten) Lockdowns war es der Klägerin in der Zeit vom 17. März 2020 bis zum 12. Mai 2020 untersagt, ihren Betrieb für Publikum zu öffnen.

Nachdem die Klägerin über ihren Versicherungsmakler der Beklagten die Schließung des Betriebs anzeigte und für die Dauer der vertraglich vereinbarten Haftzeit Entschädigung begehrte, lehnte die Beklagte ihre Eintrittspflicht mit der Begründung ab, das Coronavirus SARS-CoV-2 falle nicht unter die bedingungsgemäß definierten Krankheitserreger. Eine anwaltliche Aufforderung zur Leistung eines Abschlags in Höhe von 110.000 EUR blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 173.545,42 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten begehrt.

Sie hat geltend gemacht, die vereinbarte - auf der Grundlage des Rohertrags des Jahres 2019 errechnete - Tagesentschädigung belaufe sich auf 5.784,84 EUR, so dass sich für die vertraglich vereinbarte Haftzeit von 30 Tagen ein Anspruch in Höhe der Klagforderung errechne. Die Schließung ihres Betriebes sei auf der Grundlage der AVB Betriebsschließung gedeckt. Soweit diese die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger als meldepflichtig definiere, handele es sich hierbei - ungeachtet der nachfolgenden Aufzählung, die ledi...

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