Leitsatz (amtlich)
1. Zu den im Jahre 2013 bestehenden Amtspflichten des Betreibers einer kommunalen Kläranlage, der mit Legionellen belastete Abwässer zugeführt worden sind.
2. Wasser, das sich in einer Kläranlage befindet, fällt nicht unter den Gewässerbegriff des § 89 WHG. Ein Einleiten von Schadstoffen im Sinne von § 89 WHG liegt nicht vor, wenn mit Legionellen belastetes Abwasser, das der Kläranlage in belastetem Zustand zugeführt und nach der Behandlung in der Kläranlage ohne Erhöhung der Belastung in ein Gewässer eingeleitet wird.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; WHG § 89
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 4 O 440/16) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 23.11.2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger, der im Jahr 2013 in X wohnte und auch arbeitete, nimmt den Beklagten, der schon zu diesem Zeitpunkt in X die kommunale Abwasserkläranlage betrieb, in die neben kommunale Abwässern über einen eigenen Kanal auch Abwässer der X- Brauerei eingeleitet wurden, mit dem Vorwurf, dass er durch in der Kläranlage vorhandenes und von dieser in den Fluss Z eingeleitetes mit Legionellen belastetes Wasser im September 2013 an der sog. Legionärskrankheit erkrankt sei, auf Zahlung eines angemessenen, seiner Vorstellung nach sich zumindest auf 15.000,- EUR belaufenden Schmerzensgeldes in Anspruch. Weiter begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle weiteren ihm noch durch die Erkrankung entstehenden, derzeit nicht vorhersehbaren Schäden.
Dabei haben die Parteien in erster Instanz unter anderen darüber gestritten, ob die Erkrankung des Klägers durch über der Kläranlage oder den Fluss Z aufsteigende legionellenbelastete Aerosole verursacht wurde oder für die Erkrankung auch andere Ursachen in Betracht kommen wie durch Verdunstungskühlanlagen der X- Brauerei oder der Y über das Stadtgebiet hinweg verteilte legionellenbelastete Aerosole. Weiter hat man darüber gestritten, ob der Beklagte amtspflichtwidrig Vorkehrungen zum Schutz vor einer Legiollenbelastung des in der Kläranlage behandelten Wassers unterlassen hat, insbesondere Gebote aus dem Wasserhaushaltsgesetz, dem Bundesimmissionsschutzgesetz und dem Infektionsschutzgesetz nicht beachtet hat. Auch stand zwischen den Parteien im Streit, ob die Voraussetzungen für eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Beklagten nach § 89 Abs. 1 WHG gegeben sind.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, für einen Amtshaftungsanspruch des Klägers aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG fehle es an einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Beklagten. Ein Verstoß gegen die die Bearbeitung und Beseitigung von Abwasser regelnden Vorschriften der §§ 55 Abs. 1, 60 WHG, 5 Abs. 1, 22 BImSchG und 41 IfSG liege ungeachtet der Frage ihres Drittschutzes nicht vor, weil keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Kläranlage nicht dem "Stand der Technik", den "allgemeinen Regeln der Technik" oder den sonstigen rechtlichen bzw. technischen Anforderungen entsprochen habe. Der Beklagte hätte konkrete Maßnahmen zum Schutz vor dem Auftreten und Verbreiten von Legionellen nur dann treffen müssen, wenn es hierauf bezogene rechtliche oder technische Bestimmungen gegeben hätte und/oder er zumindest aufgrund von Erfahrungswerten mit einer entsprechenden Gefährdung hätte rechnen müssen, was beides nicht der Fall gewesen sei. Spezifische rechtliche oder technische Vorgaben für die Behandlung von Abwasser zur Minimierung des Risikos einer Legionelleninfektion hätten im Jahr 2013 nicht existiert. Der Beklagte habe damals auch nicht auf Erfahrungswerte aus früheren Ausbrüchen zurückgreifen und seine Anlage darauf einrichten können. Kommunale Kläranlagen bzw. Belebungsbecken seien vor den Ereignissen in X im Jahr 2013 in Fachkreisen nicht als relevante Emittenten von Legionellen eingestuft worden, weil dort nur geringe Konzentrationen aufgetreten seien. Die in 2005 und 2008 in T/Norwegen aufgetretenen Legionellenausbrüche seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil es dort nicht um kommunale Abwässer, sondern um ein Belebungsbecken einer biologischen Kläranlage eines Industriebetriebes und einen in unmittelbarer Nähe davon befindlichen Luftwäscher gegangen sei. Dass der Beklagte später zahlreiche Gegenmaßnahmen ergriffen habe, reiche für die Annahme einer Pflichtverletzung nicht aus. Da es hiernach bereits an einer Amtspflichtverletzung des Beklagten fehle, könne dahinstehen, ob der Amtshaftungsanspruch auch wegen Bestehens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen sei. Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB scheiterten bereits daran, dass die Haftung des Staates aus unerlaubter Handlung in § 839 BGB abschließend geregelt s...