Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bedeutung und Reichweite einer von den Unfallbeteiligten am Unfallort aufgenommenen schriftlichen Erklärung.
2. Haftungsverteilung zwischen Linksabbieger und Überholer im gleichgerichteten Verkehr nach StVG bei Anwendung niederländischer Verkehrsvorschriften.
Normenkette
StVG §§ 7, 17
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 19.12.2014; Aktenzeichen 010 O 229/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.12.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Münster unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, über den ausgeurteilten Betrag hinaus an den Kläger weitere 252,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 02.07.2014 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 80 % und die Beklagten 20 % als Gesamtschuldner. Die Kosten des Berufungs- verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die Berufung des Klägers hat nur zu einem geringen Teil Erfolg und führt zur Teilabänderung des landgerichtlichen Urteils in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels.
Der Kläger kann von den Beklagten als Gesamtschuldnern - über die bereits vom LG zuerkannten Beträge hinaus - aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 291 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB Zahlung weiterer 252,35 EUR nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 02.07.2014 verlangen. Die geltend gemachten weiter gehenden Ansprüche stehen dem Kläger dagegen nicht zu.
1. Es geht vorliegend um einen Verkehrsunfall, der sich zwischen im Inland ansässigen Parteien mit jeweils in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen in den Niederlanden (nahe der Grenze zu Deutschland) ereignet hat. Bei dieser Sachlage findet deutsches Haftungsrecht - insbesondere das StVG - Anwendung, während sich die Verhaltenspflichten und einzuhaltenden Verkehrsregeln nach den niederländischen Verkehrsvorschriften bestimmen (vgl. dazu allgemein nur Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 43, Rdn. 69 sowie Palandt/Thorn, BGB, 74. Aufl., Art. 4 Rom II - IPR - Rdn. 15).
Zu den hier maßgebenden niederländischen Verkehrsregeln hat der Senat Folgendes recherchiert:
Art. 5 WVW regelt - ähnlich wie § 1 Abs. 2 StVO - allgemein, dass Verkehrsteilnehmer sich nicht so verhalten dürfen, dass andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder behindert werden. Bzgl. des Überholens bestimmt Art. 11 RVV 1990, dass links zu überholen ist und dass Fahrzeuge, die sich links eingeordnet und (durch entsprechende Anzeige) zu erkennen gegeben haben, dass sie links abbiegen wollen, rechts zu überholen sind. Eine dem deutschen Verbot des Überholens bei unklarer Verkehrslage entsprechende ausdrückliche Regelung gibt es im niederländischen Recht nicht. Insoweit kann indes auf die allgemeine Grundregel des Art. 5 WVW zurückgegriffen werden. Für das Abbiegen ist in Art. 17 und 18 RVV 1990, bestimmt, dass Linksabbieger sich möglichst weit links einzuordnen, ihre Abbiegeabsicht durch Richtungsanzeiger anzuzeigen und Gegenverkehr sowie sich seitlich versetzt - insbesondere linksseitig - von hinten annäherndem Verkehr Vorrang zu gewähren haben; aus Letzterem ergibt sich zwanglos auch eine - soweit ersichtlich nicht ausdrücklich geregelte - Pflicht zur Rückschau, wie auch von Beklagtenseite unwidersprochen vorgetragen.
Insgesamt bestehen danach der Sache nach im Grunde keine nennenswerten Unterschiede zum deutschen Verkehrsrecht bzgl. der beiderseitigen Pflichten in der hier in Rede stehenden Konstellation.
2. Der Kläger kann von den Beklagten dem Grunde nach den eingangs genannten Vorschriften - zum geringen Teil (Brillenschaden) aus abgetretenem Recht seines Sohnes, des Zeugen M - lediglich zu einer Quote von 20 % Ersatz der unfallbedingten Schäden verlangen.
a. Der streitgegenständliche Unfall, bei dem das klägerische Fahrzeug (H) unstreitig beschädigt worden ist, hat sich zweifellos i.S. des § 7 Abs. 1 beim Betrieb des vom Beklagten zu 1) geführten und gehaltenen sowie bei der Beklagten zu 2) versicherten PKW P ereignet.
Höhere Gewalt i.S. des § 7 Abs. 2 StVG liegt nicht vor (vgl. zum Begriff der höheren Gewalt allgemein nur Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 7 StVG, Rdn. 32 ff.).
Eine - bzgl. des Beklagten zu 1) in dieser Instanz im Übrigen schon nicht mehr geltend gemachte - Unabwendbarkeit des Unfalles ist nach dem Ergebnis der vom Senat noch ergänzten Beweisaufnahme (vgl. zum Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme durch den Senat i. e. den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 15.01.2016, dort insbesondere die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. T zur Vermeidbarkeitsbetrachtung) für keine Seite positiv feststellbar.
b. Dementsprechend war vom Senat gem. 17 Abs. 1 und 2 StVG BGB e...