Leitsatz (amtlich)
1. Wer ein mit seiner Unterschrift versehenes Blankett freiwillig aus der Hand gibt, muss sich entsprechend § 172 Abs. 2 BGB den Inhalt als seine Willenserklärung zurechnen lassen, selbst wenn das Blankett später abredewidrig ausgefüllt wird.
2. Der Lieferant, der ein als Blankett hingegebenes Leasingvertragsangebot des Leasingnehmers ausfüllt, handelt als Erfüllungsgehilfe des Leasingnehmers. Ein pflichtwidriges Verhalten durch abredewidriges Ausfüllen des Blanketts muss sich der Leasinggeber deshalb nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen.
3. Die Kenntniszurechnung nach § 166 BGB setzt in solchen Fällen voraus, dass der Lieferant vom Leasinggeber bevollmächtigt war, den Vertrag betreffende Willenserklärungen abzugeben.
Normenkette
BGB §§ 133, 150 Abs. 2, §§ 166, 172 Abs. 2, §§ 278, 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 16.11.2010; Aktenzeichen 6 O 75/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.11.2010 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Paderborn teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 26.304,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.4.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 21 % und der Beklagten zu 79 % auferlegt.
Die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin werden zu 79 % der Beklagten und zu 21 % der Streithelferin selbst auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird gestattet, die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin nach Beendigung eines Leasingvertrages.
Die Beklagte leaste mit Leasingvertrag vom 6.12.2004 (Anlage B1, Bl. 40 f. d.A.) von der Firma M2 GmbH diverse Hardware sowie die Software X 2004 Update. Lieferant war die Streithelferin. Die Leasingrate lag bei 1.200 EUR netto monatlich und war nach einer kalkulierten Laufzeit von 60 Monaten berechnet. Der Vertrag lief auf unbestimmte Dauer. Bei vorzeitiger Vertragsauflösung sollte eine Abschlagszahlung zu leisten sein. Zwischen Januar 2005 und März 2007 wurden die monatlich fälligen Leasingraten i.H.v. insgesamt 37.692 EUR brutto von der Beklagten vollständig an die Firma M2 GmbH gezahlt (Anlage B5, Bl. 155 - 179 d.A.).
Gemäß Vertrag vom 13.03./22.3.2007 leaste die Beklagte von der Klägerin die Software gemäß Angebot der Streithelferin Nr. 07030071 vom 13.3.2007 (Anlage 2, Bl. 11 - 13 d.A.), die insbesondere aus einem X SQL Professional 2007 Upgrade bestand. Die Gespräche mit der Beklagten in diesem Zusammenhang wurden dabei durch Frau H, eine Mitarbeiterin der Streithelferin, geführt. Die Klägerin erwarb die in dem Angebot beschriebene Software im Rahmen eines Softwareüberlassungsvertrages von der Streithelferin. Der Kaufpreis betrug ausweislich der Rechnung vom 15.3.2007 (Anlage 10, Bl. 191 - 193 d.A.) 57.389 EUR zzgl. MwSt und wurde von der Klägerin vollständig gezahlt. Außerdem zahlte die Klägerin an die Zeugin H eine Vermittlungsprovision von 2.295,55 EUR netto.
Das von beiden Parteien unterschriebene Formular des Leasingvertrages vom 13.03./22.3.2007 (Anlage 1, Bl. 5 - 10 d.A.) hielt im vorgedruckten Teil fest, dass es sich um einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Leasingvertrag handelte, bei dem die Leasingraten unter der Annahme berechnet wurden, dass die Leasingdauer mindestens die kalkulatorische Laufzeit erreicht (Zeitpunkt der Vollarmortisation). Für den Fall einer vorzeitigen Kündigung sah der Vertrag eine Abschlusszahlung auf Basis einer ebenfalls im Vertragstext wiedergegebenen Tabelle vor. Handschriftlich war in das von beiden Parteien unterschriebene Formular eingetragen worden, dass die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer 48 Monate, die kalkulierte Laufzeit 60 Monate und die monatliche Leasingrate 1.200 EUR netto betragen sollten. Die Zeugin M, eine Mitarbeiterin der Klägerin, änderte die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer auf 60 Monate ab, bevor sie den Vertrag im Namen der Klägerin unterzeichnete.
Mit Schreiben vom 22.3.2007 (Anlage B3, Bl. 44 d.A.) übersandte die Klägerin ein unterschriebenes Exemplar an die Beklagte, wobei sie auf die vorgenommene Änderung hinwies. Unter gleichem Datum versandte die Klägerin über die zu zahlenden Leasingraten die erste Rechnung an die Beklagte (Bl. 25 d.A.). Auf Nachfrage der Beklagten bei der Streithelferin bestätigte diese mit Schreiben vom 30.3.2007 (Anlage 4, Bl. 16 d.A.) der Beklagten, dass der Leasingvertrag vom 13.3.2007 eine kalkulatorische Laufzeit von 36 Monaten habe und die Rate von 1.200 EUR 36 Monate lang an die Klägerin zu zahlen sei. Die Klägerin erhielt von diesem Schreiben zunächst keine Kenntn...