Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltspflicht für mehrere Kinder und Familienunterhaltsanspruch gegen neuen Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
1. Schuldet der barunterhaltspflichtige Elternteil Unterhalt für minderjährige und volljährige privilegierte Kinder, ist zur Bestimmung des Bedarfs des volljährigen Kindes nicht vorab der Unterhalt der minderjährigen Kinder vom anrechnungsfähigen Einkommen des Elternteils abzuziehen, sondern es ist der Bedarf unter Berücksichtigung aller Unterhaltsberechtigter zu bestimmen.
2. Die Bedarfsbestimmung für mehrere Kinder kann ausgehend von der seit 1. Januar 2010 geltenden Düsseldorfer Tabelle erfolgen, deren Bedarfssätzen der Regelfall von zwei Unterhaltsberechtigten zugrunde liegt.
3. Verfügt der weitere barunterhaltspflichtige Elternteil nur über ein Einkommen, das unterhalb des notwendigen Selbstbehaltsnach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB liegt, und steht ihm ein Anspruch auf Familienunterhalt gemäß §§ 1360, 1360a BGB gegen den neuen Ehegatten zu, der über dem notwendigen Selbstbehalt liegt, so ist das Erwerbseinkommen vollständig zur Anteilsberechnung i.S. des § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB einzusetzen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1, § 1606 I, § 1606 Abs. 3 S. 1, § 1610 Abs. 1, §§ 1360, 1360a
Verfahrensgang
AG Blomberg (Urteil vom 29.09.2009; Aktenzeichen 3 F 152/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG - Familiengericht - Blomberg vom 29.9.2009 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
1. Unterhalt wie folgt zu zahlen:
a) für den Zeitraum von Januar 2009 bis einschließlich März 2009 monatlich 312 EUR b) für den Zeitraum von April 2009 bis einschließlich Dezember 2009 monatlich 290 EUR,
c) ab Januar 2010 monatlich 304 EUR
2. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.806 EUR seit dem 17.7.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 10 % und der Beklagte zu 90 %.
Die Kosten des Rechtsstreits der zweiten Instanz tragen die Klägerin zu 46 % und der Beklagte zu 54 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die volljährige Klägerin begehrt von dem Beklagten, ihrem Vater, Unterhalt. Sie besucht die Oberstufe des Gymnasiums. Sie ist nebenher aushilfsweise als Kellnerin tätig und erzielt hieraus durchschnittliche monatliche Einkünfte i.H.v. ca. 280 EUR.
Die Kindeseltern sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Der Beklagte ist erneut verheiratet und hat vier weitere minderjährige Kinder aus dieser Ehe. Das jüngste Kind, Ceylon, wurde am ...2009 geboren. Die Ehefrau des Beklagten geht keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern betreut die Kinder.
Die Klägerin wohnt bei ihrer Mutter, die ebenfalls wieder verheiratet ist und Einkünfte aus einer Nebentätigkeit i.H.v. 326 EUR verdient. Der neue Ehemann der Mutter der Klägerin verfügt über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen i.H.v. ca. 7.400 EUR.
Der Beklagte erhält von seinem Arbeitgeber einen Firmen-Pkw zur Verfügung gestellt, wofür monatlich ca. 360 EUR auf der Gehaltsbescheinigung ausgewiesen werden.
In erster Instanz hat die Klägerin mit ihrer dem Beklagten am 16.7.2009 zugestellten Klage monatlichen Unterhalt i.H.v. 333 EUR ab Januar 2009 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit geltend gemacht.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das AG den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt für den Zeitraum von Januar bis Februar 2009 i.H.v. monatlich 333 EUR und für den Zeitraum von März 2009 an i.H.v. monatlich 312 EUR nebst rückständiger Zinsen verurteilt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte der Klägerin gegenüber alleine barunterhaltspflichtig sei. Auch wenn diese grundsätzlich einen Barunterhaltsanspruch gegen ihre Mutter habe, führe dies nicht zu einem teilweisen Wegfall der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten, da das Einkommen der Kindesmutter unter dem Selbstbehalt liege. Ihr sei auch kein Einkommen unter dem Gesichtspunkt eines Barunterhaltsanspruchs gegenüber ihrem Ehemann zuzurechnen, da diese weder getrennt leben würden noch geschieden seien.
Bei der Ermittlung der Höhe des Einkommens des Beklagten sei auch der Nutzungsvorteil für die Gestellung des Firmen-Pkw zu berücksichtigen, und zwar in Höhe der in den Verdienstabrechnungen angegebenen Steueranteile. Das unterhaltsrechtlich relevante Nettoeinkommen des Beklagten betrage daher 2.975 EUR. Allerdings sei der Selbstbehalt des Beklagten angesichts seiner familiären Verhältnisse und der hohen Wohnkosten um 500 EUR auf 1.400 EUR heraufzusetzen. Zudem sei aufgrund der Vielzahl der Unterhaltsgläubiger eine Herabstufung um eine Gruppe in Gruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle vorzunehmen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung in eingeschränktem Umfang. Er akzeptiert eine monatliche Unterhaltsverpflichtung i.H.v. 233 EUR von Januar bis einschließlich Februar 2009 und ab März 2009 eine solche i.H...