Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 74/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 4. September 2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner 5.953,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. März 2020 an den Kläger zu zahlen; im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 73 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 27 %. Der Kläger trägt die Kosten der Streithelferin zu 73 %; im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Auf die Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO verzichtet.

II. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

1. In Höhe des am 14. April 2016 gezahlten Rückkaufpreises von 15.900 Euro für die fünf Container, die die Beklagten mit "Kauf- und Verwaltungsvertrag" vom 28. Februar/7. März 2011 bei der Insolvenzschuldnerin erworben haben, steht dem Kläger kein Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO zu.

a) Anzuwenden ist die InsO in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtung nach der InsO und dem AnfG vom 29.03.17 (BGBl I Nr. 16, S. 654 f.), da das Insolvenzverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts München - Insolvenzgericht - vom 24. Juli 2018 eröffnet worden ist, also nach dem 5. April 2017 (Art. 103j Abs. 1 InsO).

b) Die Voraussetzungen für eine Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht erfüllt, da es sich bei der Zahlung des Rückkaufpreises um keine unentgeltliche Leistung der Insolvenzschuldnerin handelt.

aa) Unentgeltlich ist eine Leistung in einem Zwei-Personen-Verhältnis, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass diesem ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (stRspr, vgl. BGH, Urt. v. 05.03.15 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231, juris, Rn. 12; Urt. v. 15.09.16 - IX ZR 250/15, WM 2016, 2312 = juris, Rn. 20; Urt. v. 20.04.17 - IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350, = juris, Rn. 10; Urt. v. 27.06.19 - IX ZR 167/18, BGHZ 222, 283 = juris, Rn. 83, jew. mwN).

Dafür reicht nicht, dass die Leistung rechtsgrundlos erfolgt. Leistet jemand, weil er sich irrtümlich hierzu verpflichtet hält, steht ihm hinsichtlich der Leistung ein Bereicherungsanspruch nach § 812 I 1, 1. Alt. BGB zu. Der Empfänger ist von vornherein diesem Bereicherungsanspruch ausgesetzt. Insoweit fehlt es bei einer solchen Leistung an einem endgültigen, vom Empfänger nicht auszugleichenden, freigiebigen Vermögensverlust des Schuldners. Daher ist eine Leistung des Schuldners, wenn dieser irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein, nicht nach § 134 I InsO anfechtbar (BGH, Beschl. v. 09.10.14 - IX ZR 294/13, ZInsO 15, 305 = juris, Rn. 3 mwN). Anders ist dies nur dann, wenn der Empfänger nicht mit einer Verpflichtung belastet wird, die der Unentgeltlichkeit entgegenstehen kann. Dies ist bei einer rechtsgrundlosen Leistung der Fall, sofern dem Schuldner kein Rückforderungsanspruch zusteht. Daher liegt eine unentgeltliche und deshalb anfechtbare Leistung des Schuldners vor, wenn er in Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes handelt. Unter diesen Umständen ist eine Rückforderung nach § 814 BGB ausgeschlossen. Dies führt zu einem endgültigen Vermögenserwerb beim Dritten, ohne dass diesen eine ausgleichende Leistungsverpflichtung trifft. Scheitert ein Anspruch des Schuldners an § 814 BGB, ist auch dem Insolvenzverwalter ein Bereicherungsanspruch abzusprechen (BGH, Urteile vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 = juris, Rn. 44, und vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16 -, BGHZ 214, 350 = juris, Rn. 16).

bb) Gemessen an diesem Maßstab ist die Unentgeltlichkeit des Rückkaufs der Container vorliegend zu verneinen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Übereignung der Container wirksam war (so i. Erg. auch OLG München, Beschluss vom 20. Mai 2021 - 5 U 7147/20, S. 7 ff., unter II. 2.; LG Karlsruhe, Urteil vom 10. Juli 2020 - 20 O 42/20, Anl. K 8 = Bl. 352 f. d.A.).

(1) Sollte die zugleich mit dem Abschluss des Kausalgeschäfts erklärte dingliche Einigung gem. §§ 929 S. 1, 930 BGB wirksam gewesen sein, hätten die Beklagten durch den Rückkaufpreis eine Gegenleistung für die Rückübereignung der zu diesem Zeitpunkt in ihrem Eigentum stehenden Container erhalten. Dann handelte es sich zweifelsfrei um eine entgeltliche Leistung der Insolvenzschuldnerin.

(2) Aber auch dann, wenn das Verfügungsgeschäft dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht gerecht geworden und die Übereignung an die Beklagten daher ins Leere gegangen wäre (so OLG München, Beschluss vom 4. September 2019 - 3 U 1576/19, Anl. K 6 = Bl. 56 ff. d.A.), führte dies nicht dazu, dass die Zahlung des Rückkaufpreises als unentgeltliche Leistung anzusehen wäre. Denn dann würde ...

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