Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 09.05.2006; Aktenzeichen 15 O 63/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9.5.2006 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des LG Bielefeld wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass nach den Aussagen zu 1) bis 4) ergänzt wird: wie in der Anzeige mit der Überschrift "Glatze?" in der C-Zeitung vom 5.3.2006 (Anlage K 2) und dass nach den Aussagen zu 5) bis 7) zu ergänzen ist: wie in der Anzeige mit der Überschrift "Rubbeln oder Glatze" in der C-Zeitung vom 12.3.2006 (Anlage K 4).
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 65.000 EUR abzuwenden, falls nicht der Kläger Sicherheit vor der Vollstreckung leistet.
Gründe
I. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere die Sorge für die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs. Mitglieder des Klägers sind gerichtsbekannt auch Heilpraktiker, Hersteller von Kosmetika, Betreiber von Kurkliniken, Hersteller und Vertreiber von Naturheilmitteln und pharmazeutischer Produkte sowie sonstige Lebensmittelbetriebe.
Die Beklagte stellt Körperpflegemittel her und vertreibt sie. In einer am 5.3.2006 erschienenen ganzseitigen Anzeige in der Zeitung "C-Zeitung" warb die Beklagte für ihr Haarpflegemittel "B" mit einer ganzseitigen Anzeige mit folgenden Angaben:
1) "Glatze? Vorbeugen mit Coffein!"
2) "Beugt Haarausfall vor",
3) "Dermatologen der Universität Jena bestätigen: Coffein stimuliert geschwächte Haarwurzeln",
4) "In-vitro-Tests an erblich belasteten Haarwurzeln beweisen, dass Coffein vor dem schädlichen Einfluss des männlichen Hormons Testosteron schützt."
In der C-Zeitung vom 12.3.2006 erschien eine weitere halbseitige Anzeige für "B" mit den weiteren Angaben:
5) "Männer vor die Wahl gestellt: Rubbeln oder Glatze?"
6) "Das Coffein im B hält die Haarwurzeln wach, damit die Haarproduktion nicht vorzeitig zurückgeht. Das haben deutsche Wissenschaftler herausgefunden."
sowie einer mit zwei Schaubildern versehenen ausführlichen Antwort auf die Frage: "Wie wirkt das Coffein in B?" (vgl. Antrag zu 7 -Bl. 3).
Der Kläger hat die Beklagte, nachdem er sie wegen der aufgelisteten Angaben in der Zeitung vom 5.3.2006 erfolglos abgemahnt hatte, unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel auf Unterlassung der beanstandeten Aussagen und auf Erstattung der pauschalierten Abmahnkosten i.H.v. 162,40 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Er hält die angegriffenen Werbeaussagen für sachlich unrichtig, weil Coffein die ihm zugeschriebene Wirkung in Bezug auf Haarausfall nicht habe. Jedenfalls seien solche Wirkungen nicht wissenschaftlich gesichert. Daran könne insbesondere auch die bislang nicht einmal in der Fachliteratur veröffentliche Studie von Wissenschaftlern der Universität Jena nichts ändern, die ihm die Beklagte zum Nachweis der beworbenen Wirkung zur Verfügung gestellt habe.
Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt. Sie hat behauptet, dem Coffein komme die beworbene Wirkung tatsächlich zu. Sie hat dazu auf die von der Klinik für Dermatologie und dermatologischer Allergologie im Auftrag der Beklagten erstellte Studie mit dem Titel "Proliferationsuntersuchungen von humanen Haarfolliken unter dem Einfluss von Koffein und Testosteron im Haarorgankultur-Modell" verwiesen (in vollständiger Form Anlage K 13). Diese mit Probanden durchgeführte Studie, die sie dem Kläger bereits in Zusammenhang mit einer früheren Abmahnung Mitte 2005 übersandt habe, hätte die Wirkungen nachgewiesen. Das in englischer Sprache abgefasste Untersuchungsergebnis sei zur Veröffentlichung im "International Journal of Dermatologie" angenommen worden. Die Beklagte verweist ferner darauf, dass auch das Chemische Untersuchungsamt C diese Wirksamkeitsnachweise von Koffein gegen Haarausfall im August 2005 durchgesehen und fachlich beurteilt habe. Bei dieser Beurteilung sei es zu keiner Beanstandung wegen unzureichender Wirknachweise gekommen. In der Zeitschrift "Controlled Release" sei zudem in Kürze mit der Veröffentlichung eines Nachweises dahin zu rechnen, dass Koffein sogar unter den Bedingungen einer Haarwäsche in die Haarwurzel eindringe und dort Wirkungen entfalte. Der Abschlussbericht einer Studie der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf mit dem Titel "Etablierung eines Schweinehautmodells für männliche Haut und Testung des Einflusses verschiedener Wirksubstanzen darauf" werde wie inzwischen vorliegende weitere ergänzende Untersuchungen in Kürze im "Journal of Cosmetic Science" veröffentlicht werden. Zum Beweis dafür, dass alle diese Untersuchungen lege artis durchgeführt wurden und die beanstandeten Aussagen belegten, hat sich die Beklagte auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens bezogen.
Das LG hat die Klage zugesprochen....