Leitsatz (amtlich)
Verursacht ein verkehrswidrig fahrender, elfjähriger Radfahrer einen Zusammenstoß mit einer 57-jährigen Radfahrerin, bei dem diese erhebliche Verletzungen erleidet, kann der Elfjährige für die Unfallfolgen der Radfahrerin allein zu haften haben. Der Elfjährige hat nachzuweisen, dass er für den Unfall nicht verantwortlich ist (§ 828 III BGB).
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 823 II, § 828 Abs. 3, §§ 249, 253 II; StVO § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 16.11.2015; Aktenzeichen 21 O 237/11) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 16.11.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 21. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom 09.09.20... geltend, an dem sie und der im Unfallzeitpunkt 11-jährige Beklagte als Fahrradfahrer beteiligt waren.
Durch das angefochtene Urteil, auf das gem. § 540 ZPO verwiesen wird, soweit sich aus dem Nachstehenden nichts Anderes ergibt, hat das LG der Klage ganz überwiegend stattgegeben.
Mit seiner Berufung verfolgt der inzwischen volljährige Beklagte seine ursprünglichen Anträge auf Klageabweisung aus erster Instanz weiter. Er ist weiterhin der Ansicht, er hafte der Klägerin nicht auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, weil der Unfall allein, oder jedenfalls ganz überwiegend, von der Klägerin verschuldet worden sei. Er habe auf dem Gehweg der M'er Straße die Einmündung der K-straße noch vor der von links herannahenden Klägerin passieren wollen, was ohne Probleme möglich gewesen sei. Nur wegen eines aus der gleichen Richtung schnell herannahenden PKW habe er im Einmündungsbereich anhalten müssen. Die Klägerin sei infolge Unaufmerksamkeit und weil - unstreitig - die Vorderradbremse ihres Fahrrades ohne Funktion gewesen sei, in sein querendes Rad gefahren.
Das Schmerzensgeld sei überhöht. Das LG habe nicht berücksichtigt, dass die Verzögerung des Heilungsprozesses in einem nicht unerheblichen Maß durch ein Fehlverhalten der Klägerin bedingt gewesen sei, die ihre Ernährung nicht umgestellt und physiotherapeutische Anwendungen nicht mehr in Anspruch genommen habe.
Hinsichtlich des Haushaltsführungs- und des Erwerbsschadens wiederholt der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Senat hat mit der Terminsverfügung den Parteien einen umfassenden Hinweis zu den Erfolgsaussichten der Berufung erteilt. Lediglich die Klägerin hat innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitraums von 5 Monaten darauf reagiert und angekündigt, hinsichtlich eines Betrages von 450,- EUR aus dem Bereich des Haushaltsführungsschadens für den Zeitraum vom 10.05. bis zum 03.06.20..., während dessen die Klägerin an einer Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen hatte, die Klage zurücknehmen zu wollen. Eine dahingehende Erklärung, der der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zugestimmt hat, hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Senatstermin abgegeben.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den damit überreichten Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung des Beklagten ist, nachdem die Klägerin die Klage in Bezug auf den von ihr geltend gemachten und erstinstanzlich zuerkannten Haushaltsführungsschaden in Höhe von 450,- EUR für den Zeitraum vom 10.05 bis zum 03.06.20... zurückgenommen hat, unbegründet.
Im Einzelnen:
1. Haftungsgrund
a) Die Haftung des Beklagten für die der Klägerin aus Anlass des Verkehrsunfalles vom 09.09.20... entstandenen materiellen und immateriellen Schäden ergibt sich aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 StVO. Der zum damaligen Zeitpunkt 11jährige Beklagte hat den Gehweg der vorfahrtsberechtigten M-er Straße entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung genutzt, obwohl er zur Nutzung des Gehwegs wegen seines Alters mit Blick auf § 2 Abs. 5 S. 1 StVO nicht berechtigt war. Die so erfolgte Benutzung des Gehweges vermittelte dem Beklagten gegenüber der sich auf der Fahrbahn der untergeordneten K-straße auf den Einmündungsbereich zufahrenden Klägerin kein Vorfahrtsrecht (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 8 Rn. 30 m.w.N.). Die sich daraus ergebende grundsätzliche Haftung des Beklagten hat der hinter diesem stehende Haftpflichtversicherer vorprozessual anerkannt. Dieser hat die an ihn herangetragenen Ansprüche der Klägerin, soweit er deren Berechtigung der Höhe nach akzeptiert hat, nach einer Haftungsquote von 70 % reguliert. Dass den Beklagten an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls ein Verschulden trifft, hat der hinter diesem stehende Haftpflichtversicherer auch mit der Berufungsbegründung n...