Leitsatz (amtlich)
Den Bewohnern und Mietern eines Hauses, dessen Eigentümer enteignet wird, ist im Rahmen einer Besitzeinweisung die Ausführungsanordnung der Enteignungsbehörde zuzustellen. Der unmittelbare Besitzer, dessen Rechtsstellung durch den Enteignungsbeschluss betroffen wird, ist ebenfalls Beteiligter i.S.d. § 117 Abs. 4 BauGB.
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 12.06.2014; Aktenzeichen 4 O 131/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten N und I wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hagen vom 12.6.2014 abgeändert.
Die einstweilige Verfügung vom 28.4.2014 (Az.: 4 O 131/14) wird aufgehoben und der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass der einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagten N und I zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin nach einem Streitwert von 60.000 EUR.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Verfügungsklägerin ist seit Dezember 2013 aufgrund eines Enteignungsverfahrens i.S.d. §§ 104 ff. BauGB Eigentümerin des Grundstücks X-Straße 18 in G (Gemarkung G, Flur 27, Flurstück ... und ..., eingetragen im Grundbuch von G, Blatt ..., Gesamtgröße 4.477 qm) und der aufstehenden Gebäude. Sie will auf dem streitgegenständlichen Grundstück öffentliche Baumaßnahmen durchführen.
Die auf dem streitgegenständlichen Grundstück aufstehenden Gebäude werden von den Verfügungsbeklagten und den weiteren im ersten Rechtszug in Anspruch genommenen Antragsgegnern bewohnt.
Vor der Verfügungsklägerin war Prof. Dr. F Eigentümer des vorbezeichneten Anwesens und insoweit Rechtsvorgänger der Verfügungsklägerin.
Prof. Dr. F hatte im August 1994 über die vorbezeichneten Immobilie mit C, Inhaber der Firma Q Groß- und Einzelhandel, einen Mietvertrag geschlossen (vgl. Bl. 21 ff.). Ausweislich des § 2 des Mietvertrages vom 20.8.1994 erfolgte die Vermietung sowohl zu gewerblichen als auch zu Wohnzwecken. Eine Untervermietung wurde gestattet. Der monatliche Mietzins betrug ca. 4.000 EUR.
Der Antragsgegner B ist als Erbe seines inzwischen verstorbenen Vaters C in den vorbezeichneten Mietvertrag eingetreten. Er bewohnt seitdem bis heute mit seiner Ehefrau, der Antragsgegnerin U, und einem minderjährigen Kind die streitgegenständliche Immobilie.
Die Verfügungsbeklagten N und I gingen ebenso wie der Antragsgegner K mit dem Antragsgegner B ein Untermietverhältnis ein. Ebenso wohnen dort die drei minderjährigen Kinder der Eheleute N und I.
Bevor die Verfügungsklägerin durch Enteignung Eigentümerin des vorbezeichneten Anwesens wurde, kündigte Prof. Dr. F das Mietverhältnis gegenüber B mit Schreiben vom 6.8.2011 (vgl. Bl. 277 ff.) wegen Verzuges von Mietzahlungen i.H.v. ca. 208.000 EUR. In dem Kündigungsschreiben wurde B aufgegeben, das Anwesen bis zum 31.3.2013 zu räumen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die bestehenden Untermietverhältnisse zu kündigen seien.
Am 4.7.2012 kam es zu einer teilweisen Einigung zwischen Prof. Dr. F und der Verfügungsklägerin (Bl. 7 ff.). Hierzu erging auf Antrag der Stadt G eine Ausführungsanordnung der Bezirksregierung Arnsberg vom 19.3.2013 (Bl. 11 ff.), die nach erfolglosem Antrag des Prof. Dr. F auf gerichtliche Entscheidung bestandskräftig wurde (Urteil LG Arnsberg vom 14.11.2013, Bl. 94 ff.).
Die Verfügungsklägerin erhob im Hauptsacheverfahren (Az.: 4 O 8/14 LG Hagen) mit Schriftsatz vom 11.7.2013 (Bl. 1 ff.) Klage gegen die Verfügungsbeklagten des vorliegenden Verfahrens auf Räumung und Herausgabe des Anwesens X-Straße 18 in G.
Sodann hat sie mit Schriftsatz vom 4.4.2014 (Bl. 90 ff.) aus dem Hauptsacheverfahren heraus beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung gem. §§ 940, 940a ZPO anzuordnen, dass die Antragsgegner das Grundstück X-Straße 18 in G (Gemarkung G Flur 27 Flurstück ... und ...) mit den aufstehenden Gebäuden vollständig geräumt an sie herauszugeben haben.
Die Verfügungsbeklagten haben zunächst beantragt, den Antrag der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.
Das LG Hagen hat am 28.4.2014 durch Beschluss die beantragte einstweilige Verfügung erlassen (vgl. Bl. 104 ff.).
Mit Schriftsatz vom 1.5.2014 (Bl. 136 ff.) haben die Verfügungsbeklagten N und I Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt und zudem beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 28.4.2014 einstweiligen einzustellen.
Mit Beschluss vom 5.5.2014 (Bl. 114 ff.) hat das LG die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 28.4.2014 ohne Sicherheitsleistung einstweiligen eingestellt.
Die Verfügungsklägerin hat sodann beantragt, die einstweilige Verfügung des LG Hagen, Az. 4 O 131/14, vom 28.4.2013 aufrechtzuerhalten.
Die Verfügungsbeklagten N und I haben beantragt, die einstweilige Verfügung vom 28.4.2014 aufzuheben und den Antrag auf deren Erlass zurückzuweisen sowie hilfsweise ihnen Räumungsschutz für wenigstens 6 Wochen ab Entscheidungsverkündung zu gewähren.
Die Verfügungsbeklagten haben die Auffassung vertreten, es läge keine Eilbedürftigkeit vor, da ausweislich verschiedener Pressemitteilungen die Verfügungsklägerin bereits seit nahezu 10...