Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitskostenversicherung: Nachweis der medizinischen Notwendigkeit, wenn der Versicherungsnehmer Behandlungsunterlagen nicht vorlegt
Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherungsnehmer einer Krankheitskostenversicherung muss die medizinische Notwendigkeit der Behandlung beweisen. Sind zur Beurteilung - nach sachverständiger Beratung des Gerichts - die schriftlichen Behandlungsunterlagen erforderlich, legt aber der Versicherungsnehmer diese Unterlagen trotz gerichtlichen Hinweises nicht vor, so bleibt er beweisfällig. (Unter II 1.)
2. Der Krankheitskostenversicherer kann die Entscheidung über eine Erstattung von der Vorlage der Behandlungsunterlagen abhängig machen und ein Leistungsbegehren deshalb als nicht fällig ablehnen. (Unter II 4.)
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 115 O 113/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. Februar 2018 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin macht Ansprüche aus ihrer Krankheitskostenversicherung mit einem Erstattungssatz von 50 % bezüglich 27 Rechnungen geltend.
Sie verweigert die Herausgabe von Behandlungsunterlagen an die Beklagte sowie das Gericht. Die Beklagte bestreitet vor diesem Hintergrund die medizinische Notwendigkeit der zur Abrechnung gestellten Dauerbehandlung und ihrer Behandlungsfrequenz und beruft sich (teilweise) auf fehlende Fälligkeit.
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, da der Sachverständige S die medizinische Notwendigkeit anhand der vorliegenden Berichte und der in den Rechnungen enthaltenen Diagnosen überzeugend festgestellt habe und deshalb die Vorlage der Krankenunterlagen nicht notwendig sei.
Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vortrages, der Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das der Klage überwiegend stattgebende Urteil des Landgerichts (GA 551-559) verwiesen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts sowie Rechtsfehler bei der Tatsachenfeststellung durch das Landgericht rügt und ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - weiterverfolgt.
Der Sachverständige habe ohne die nicht vorgelegten Behandlungsunterlagen die medizinische Notwendigkeit, insbesondere zur Frequenz der Behandlung, nicht abschließend prüfen können.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils vollständig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen S. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.10.2018 verwiesen.
II. 1. Die Leistungsklage bezüglich der Rechnungen vom 8. Mai 2014 bis zum 29. September 2014 ist nebst zugehöriger Zinsen unbegründet, da der Senat die medizinische Notwendigkeit der erfolgten Behandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 2009 (Anl. BLD1, GA 72) nicht feststellen kann.
a) Für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit ist ein objektiver Maßstab anzulegen (BGH Urt. v. 29.3.2017 - IV ZR 533/15, r+s 2017, 252 Rn. 21 m. w. N.).
Mit dem Begriff "medizinische notwendige" Heilbehandlung wird - auch für den Versicherungsnehmer erkennbar - nicht an den Vertrag zwischen ihm und dem behandelnden Arzt und die danach geschuldete medizinische Heilbehandlung angeknüpft. Vielmehr wird zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommen kann. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß muss es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar gewesen sein, die Heilbehandlung als notwendig anzusehen (BGH Urt. v. 29.3.2017 - IV ZR 533/15, r+s 2017, 252 Rn. 28 m. w. N.).
Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden (BGH Urt. v. 29.3.2017 - IV ZR 533/15, r+s 2017, 252 Rn. 29 m. w. N.).
Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung im Sinne der vorstehenden Ausführungen wird daher dann auszugehe...