Leitsatz (amtlich)
1.
Bei uneinbringlicher Forderung gegen einen Schuldner, die ein Rechtsanwalt pflichtwidrig hat verjähren lassen, kommt eine Verurteilung des Rechtsanwalts zur Zahlung von Schadensersatz nicht in Betracht.
2.
Auf entsprechendem Hilfsantrag ist jedoch eine Feststellung zulässig und begründet, dass der Rechtsanwalt den Schaden zu ersetzen hat, der dadurch entsteht, dass der Mandant keinen Vollstreckungstitel gegen den früheren Schuldner erlangt hat.
Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 09.02.2006; Aktenzeichen 18 O 272/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 09.02.2006 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert:
Die Klage bleibt mit dem Hauptantrag abgewiesen.
Auf den Hilfsantrag wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden bis zur Höhe von 40 903,35 EUR nebst 4% Zinsen seit dem 01.01.1998 zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entsteht, dass sie keinen Vollstreckungstitel gegen Herrn M wegen der Ansprüche aus dem Darlehen gemäß Vertrag vom 05.11.1993 bis zum Ende des Jahres 2003 erlangt hat.
Die Kosten erster Instanz trägt die Klägerin. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 95% und den Beklagten zu 5% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien könne die wechselseitigen Vollstreckungen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn der Gegner nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
A.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche aufgrund anwaltlicher Pflichtverletzung geltend.
Die Klägerin hatte im Jahre 1993 ein Darlehen über 80 00,00 DM, verzinslich mit 10% jährlich bei einer Laufzeit von einem Jahr, gewährt. Hierüber wurde unter dem 05.11.1993 eine Urkunde (Bl. 10 d. A.) erstellt, in der als Darlehensnehmer bezeichnet waren M, der Bruder der Klägerin, sowie O, die bis zur Scheidung der Ehe im Dezember 1999 mit dem Bruder der Klägerin verheiratet war. Unterschrieben hatte die Urkunde jedoch nur der Ehemann. Nachdem das Darlehen nicht fristgerecht zurückgezahlt worden war, begab sich die Klägerin im Jahr 2000 in die anwaltliche Beratung der Beklagten. Sachbearbeiter war der Beklagte zu 4. Die Beklagten kündigten namens der Klägerin mit zwei gesonderten Schreiben vom 10.04.2000 (Bl. 11-14 d. A.) den Vertrag vorsorglich und forderten beide Darlehensnehmer zur Rückzahlung der Hauptforderung nebst aufgelaufener Zinsen von 52 000,00 DM, insgesamt 132 000,00 DM, bis zum 07.07.2000 auf. Nachdem die gesetzte Frist fruchtlos verstrichen war, stellten die Beklagten für die Klägerin unter dem 07.09.2000 einen Prozesskostenhilfeantrag für eine beabsichtigte Klage nur gegen die Schwägerin (4 O 512/00, Landgericht Essen). Hintergrund hierfür war unstreitig, dass man den Bruder in dem Rechtsstreit als Zeugen zur Verfügung zu haben wollte. Auf Empfehlung des Beklagten zu 4. schloss zudem die Klägerin eine Lebensversicherung auf das Leben des Bruders ab. Der Bruder sollte nach einer Abrede mit der Klägerin die Versicherungsbeiträge zahlen, was jedoch nicht geschah. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde die Klage in erster Instanz nach Vernehmung des Bruders als Zeugen durch Urteil vom 18.12.2000 abgewiesen, da die Klägerin eine Mitverpflichtung der Schwägerin nicht habe beweisen können. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein, wobei die Information der Berufungsanwälte der Klägerin in der Berufungsinstanz über die Beklagten erfolgte. Nach erneuter Vernehmung des Bruders wurde die Berufung durch Urteil des OLG Hamm vom 19.12.2001 zurückgewiesen. Als Anlage zum Kurzschreiben der Beklagten vom 05.03.2002 (Bl. 81 d. A.) wurde der Beklagten u. a. das Berufungsurteil des OLG zugesandt. Der in dem Schreiben enthaltenen Aufforderung zur Rücksprache kam die Klägerin trotz Erinnerung vom 18.03.2002 nicht nach. Die weiteren Kontakte zwischen der Klägerin und den Beklagten beschränkten sich auf Kostenfragen, weshalb die Klägerin am 27.01.2003 auch die Kanzlei der Beklagten aufsuchte; hierüber verhält sich das Schreiben der Beklagten vom 31.01.2003 (Bl. 83 d. A.). Die Klägerin, die sich im März 2005 in die anwaltliche Beratung ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten begab, begehrt nunmehr Schadenersatz in Höhe der Hauptforderung aus dem Darlehen (40 903,50 EUR) nebst Zinsen vom 05.11.1993 bis zum 24.05.2005 (47 246,44 EUR) sowie 1 921,64 EUR an von ihr gezahlten gegnerischen Prozesskosten gemäß Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.04.2001. Die zunächst außergerichtlich geltend gemachten Ansprüche wurden mit Schreiben vom 17.03.2005 von den Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 4. habe im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Vorgehen gegen die Schwägerin nicht darauf hingewiesen, dass trotz Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle des Unterliegens die gegnerischen Anwaltskosten zu tragen ...