Leitsatz (amtlich)
1. Ein qualifiziertes Unterlassen einer Ordnungsbehörde ist eine Maßnahme im Sinne von § 39 Abs. 1 lit. b OBG NW. Das Unterlassen ist qualifiziert, wenn eine Rechtspflicht der Behörde zum Handeln besteht und das Unterlassen in seinen Auswirkungen einem Eingriff in eine eigentumsrechtlich geschützte Position gleichkommt.
2. Anwaltskosten auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung sind gem. § 249 BGB nur dann erstattungsfähig, wenn diese Aufwendungen erforderlich und zweckmäßig waren, was der Geschädigte darlegen und beweisen muss (Übereinstimmung mit BGH, Urteil v. 16.07.2015 - IX ZR 197/14).
Normenkette
BGB § 249; OBG NW § 39 Abs. 1 lit. b
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 5 O 295/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03.11.2017 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 1.054,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2014 sowie weitere 229,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt aus eigenem und abgetretenem Recht der Eheleute T (nachfolgend: die Zedenten) aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten in Anspruch, die beide aufgrund einer am 12.04.2013 geschlossenen Honorarvereinbarung der Rechtsanwaltskanzlei C in N für ihre Vertretung in einer öffentlich-rechtlichen Baurechtstreitigkeit zu zahlen hatten. Anlass für die Beauftragung der Rechtsanwälte C war, dass eine in der Nachbarschaft der Klägerin und der Eheleute T gelegene Gaststätte nebst Festhalle im Jahr 2013 von ihrem damaligen Pächter zur Durchführung lärmintensiver Großveranstaltungen genutzt wurde. Nachdem eigene Bemühungen der Klägerin und der Zedenten sowie des von ihnen zunächst eingeschalteten Rechtsanwalts P, die Beklagte zu einem Einschreiten gegen den Pächter zu bewegen, erfolglos blieben, beauftragten die Klägerin und die Zedenten im April 2013 Rechtsanwalt Dr. B aus der Kanzlei C mit ihrer Vertretung und schlossen dabei eine Honorarvereinbarung, in der sie sich u.a. zur Zahlung einen Stundenhonorars von 250,- EUR und einer Fahrtkostenerstattung von 0,75 EUR je gefahrenen Kilometer verpflichteten. Das Tätigwerden von Rechtsanwalt Dr. B führte schließlich zum Erfolg und zum Erlass einer Nutzungsuntersagung gegen den Nachbarn durch die Beklagte.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die ihr und den Zedenten aufgrund der Honorarvereinbarung entstandenen Rechtsanwaltskosten von 5.965,36 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 655,69 EUR nebst Zinsen ersetzt. Die Parteien haben in erster Instanz darüber gestritten, ob die auf der Grundlage der Honorarvereinbarung entstandenen Rechtsanwaltskosten ein erstattungsfähiger Schaden im Sinne des § 249 BGB sind und ob das von den Rechtsanwälten C berechnete Honorar hinsichtlich des Zeitaufwandes und der Fahrtkosten erforderlich bzw. angemessen gewesen ist.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte fahrlässig eine die Klägerin drittschützende Amtspflicht verletzt habe, indem sie dem Pächter nicht die weitere Nutzung der Festhalle untersagt und der Klägerin falsche Auskünfte bzgl. des Vorliegens einer diese Nutzung gestattenden Baugenehmigung erteilt habe. Die Klägerin könne auch die angefallenen Rechtsanwaltskosten als Schaden geltend machen. Sie habe die Beauftragung von Dr. B als spezialisierten Fachanwalt und den Abschluss der Honorarvereinbarung mit ihm für erforderlich und zweckmäßig halten dürfen. Zwar habe der Fall keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten geboten. Aus Sicht der Klägerin habe jedoch weder sie selbst, noch der nicht spezialisierte Rechtsanwalt P bei der Beklagten etwas erreichen können, weshalb die Klägerin davon habe ausgehen müssen, dass es sich um eine komplizierte Rechtsfrage handele. Zudem sei der Ausgang des Rechtsstreits für die Klägerin von besonderer Bedeutung gewesen, weil sie dort nicht nur gewohnt, sondern auch ihre psychotherapeutische Praxis betrieben habe. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, nach einem Fachanwalt zu suchen, der nach dem RVG abrechnet. Durch die Honorarvereinbarung über 250,- EUR netto/Stunde habe sie nicht gegen das im Schadensrecht geltende Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Zwar gebe es durchaus auch Fachanwälte für Verwaltungsrecht, die nach dem RVG oder zu niedrigeren Stundensätzen tätig seien. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin mit dem nichtspezialisierten Rechtsanwalt P nichts erreicht gehabt habe, die Beklagte sogar trotz formeller und materieller Illegalität der baurechtlichen Nutzung die...