Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 18.03.2015; Aktenzeichen 18 O 322/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 18.03.2015 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Essen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.026,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2014 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 86 % und die Beklagte 14 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus gemäß § 86 VVG übergegangenem Recht wegen anwaltlicher Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch. Sie wirft der Beklagten vor, in einem für die - bei der Klägerin rechtsschutzversicherten- Zeugin L geführten Arzthaftungsprozess eine überhöhte und insoweit der Höhe nach aussichtslose Klage erhoben und nach Klageabweisung die Berufung hiergegen geführt zu haben.
Im Jahr 2010 mandatierte die Zeugin L die Kanzlei des damaligen Rechtsanwalts I, in der die Beklagte bis Mitte 2013 als angestellte Rechtsanwältin und Scheinsozia tätig war, mit der Wahrnehmung ihrer Interessen aus Anlass ärztlicher Behandlungen im Zeitraum 2009/2010.
Hintergrund war im Wesentlichen folgender:
Im März 2009 stellte sich Frau L wegen anhaltender Rückenbeschwerden bei dem Neurochirurgen Dr. Q vor, der einen Bandscheibenvorfall diagnostizierte. Dr. Q operierte Frau L deswegen am 07.04.2009 im A-Krankenhaus in M. Ab dem 13.04.2009 klagte die Patientin über Kopfschmerzen. Nachdem sie am 15.04.2009 aus dem Krankenhaus entlassen worden war, stellte sie sich am Folgetag in der Praxis des Dr. Q vor. Daraufhin wurde sie am 17.04.2009 erneut stationär aufgenommen; am 18.04.2009 wurde eine Liquorfistel operativ entfernt. Nach Entlassung am 27.04.2009 schloss sich vom 19. bis 28.05.2009 eine Reha-Behandlung an, aus der die Patientin wiederum ins Krankenhaus überwiesen wurde, weil erneut Flüssigkeit aus der Operationsnarbe austrat. Am 29.05.2009 folgte deswegen eine weitere Revisionsoperation. Am 22.06.2009 stellte sich Frau L letztmalig Dr. Q zur Nachkontrolle vor. Ab Oktober 2009 ließ sie sich von dem Orthopäden X behandeln, der sie im April 2010 an der Wirbelsäule operierte. Im Juni 2010 folgte die 5. Operation in dem Bereich.
Die Zeugin L war im fraglichen Zeitraum nicht berufstätig, sondern versorgte den Ehemann und die ca. 7jährige, unter Sklerodermie leidende Tochter. Die Familie bewohnt ein Haus mit ca. 120 qm Wohnfläche und einem großen Garten in Y.
Unter dem 04.07.2011 erhob die Beklagte für Frau L Klage gegen Dr. Q zum LG Bonn (9 O 226/11) und verkündete während der ersten Instanz dem Nachbehandler X den Streit.
Dr. Q wurden neben einem Aufklärungsversäumnis mehrere Behandlungsfehler vorgeworfen, die nach damaliger klägerischer Darstellung u.a. zu entstellenden Narben am Rücken, andauernden Schmerzen im rechten Bein und Taubheitsgefühlen im linken Bein sowie zu Durchfällen geführt hätten. In der Folge sei die Patientin in der Haushaltsführung, der Erwerbsfähigkeit und in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter stark eingeschränkt. Neben einem Schmerzensgeld in vorgestellter Mindesthöhe von 115.000 EUR wurden verlangt:
- die Zahlung einer Schmerzensgeldrente ab September 2010 in Höhe von mtl. 100 EUR,
- die Feststellung der weiteren Ersatzpflicht des Dr. Q hinsichtlich künftiger nicht vorhersehbarer materieller und immaterieller Schäden,
- der Ersatz fiktiver Haushaltsführungskosten für die Zeit vom 01.05.2009 bis 28.02.2011 in Höhe von 56.900 EUR,
- der Ersatz laufender fiktiver Haushaltsführungskosten ab März 2011 in Höhe von mtl. 2.437,50 EUR,
- der Ersatz entgangenen Gewinns in Form von Verdienstausfall für den Zeitraum August 2010 bis Februar 2011 in Höhe von 2.300 EUR,
- der Ersatz künftigen Verdienstausfalls ab März 2011 in Höhe von mtl. 400 EUR,
- der Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 8.936,90 EUR sowie
- die Herausgabe von Behandlungsunterlagen.
Das LG Bonn erhob Beweis durch Einholung eines medizinischen Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. C nebst mündlicher Erläuterung im Verhandlungstermin am 10.12.2012 und wies sodann mit Urteil vom 21.01.2013 die Klage ab. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien weder Aufklärungsversäumnisse noch Behandlungsfehler des Dr. Q festzustellen, und zwar weder im Rahmen der ersten operativen Behandlung noch im postoperativen Verlauf. Das klägerische Vorbringen in einem nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2013 gebe keine Veranlassung, eine weitere Begutachtung vorzunehmen.
Der Streitwert erster Instanz wurde im Wege der Abhilfe im Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 25.02.2013 (Bl. 235 f. d. Beiakte) auf 385.837,5...