Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 11.02.2015; Aktenzeichen 18 O 349/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.02.2015 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Essen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 16.687,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.07.2014 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 %; die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Klägerin zu 17 % und die Beklagte zu 83 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
B. Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 16.687,01 EUR gemäß §§ 280 Abs. 1, 675, 611 BGB i.V.m. § 128 HGB analog, § 86 Abs. 1 VVG (§ 17 Abs. 8 ARB 2000). Die Beklagte hat ihre gegenüber ihrem früheren Mandanten Jürgen Schreiber obliegende Anwaltspflichten vorwerfbar verletzt, indem sie ihm nicht von der Erhebung einer von Anfang an aussichtslosen Berufung abgeraten und deshalb vermeidbare(Prozess-)Kosten verursacht hat, die von der Klägerin für den bei ihr rechtsschutzversicherten Zeugen Schreiber getragen worden sind.
I. Die Klägerin ist bezogen auf die geltend gemachte Schadensersatzforderung aktiv legitimiert.
Sie hat die ihrem Versicherungsnehmer Schreiber in dem vor dem LG Essen und dem Oberlandesgericht Hamm gegen Rechtsanwalt Dr. Herich geführten Vorprozess (LG Essen, Az.: 18 O 137/12 = OLG Hamm, Az.: 28 U 228/12) in zweiter Instanz erwachsenen Kosten in Höhe von insgesamt 20.135,63 EUR getragen. Das steht zwischen den Parteien nicht in Streit; hinsichtlich der ursprünglich mit der Klage geltend gemachten Mehrforderung ist die Klage zurückgenommen worden.
Soweit sich die Prozesskosten als ersatzfähiger (Regress-)Schaden darstellen und dem Zeugen Schreiber sie betreffend ein Ersatzanspruch gegen die Beklagte zustand, ist dieser Anspruch in Folge der Kostenübernahme durch die Klägerin gemäß § 86 Abs. 1 VVG/§ 17 Abs. 8 ARB 2000 auf diese übergegangen.
1. Dem Anspruchsübergang kann die Beklagte nicht mit Erfolg eine analoge Anwendung des "Regressprivilegs" aus § 86 Abs. 3 VVG entgegenhalten, wonach ein Anspruchsübergang bei Ersatzansprüchen des Versicherungsnehmers gegen Personen, mit denen er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, in der Regel ausgeschlossen ist.
Die Vorschrift ist auf den Streitfall nicht analog anwendbar. Es handelt sich um eine eng gefasste, auf andere Näheverhältnisse nicht ohne weiteres entsprechend anwendbare Ausnahmeregelung (vgl. Prölss/Martin: VVG, 29. Auflage 2015, Rn. 97 zu § 86 VVG (Armbrüster)).
Voraussetzung für die Analogiefähigkeit wäre eine planwidrige Regelungslücke, für die in Ansehung der Gesetzesgeschichte der zum 01.01.2008 an die Stelle von § 67 Abs. 2 VVG a.F. getretenen Vorschrift des § 86 VVG nichts spricht. Auch ist die Interessenlage bei der in § 86 Abs. 3 VVG genannten Nähekonstellation mit der Interessenlage bei einem (Vertrags-)Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant nicht vergleichbar: § 86 Abs. 3 VVG schützt das Interesse an einem unbelasteten Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft, die in der Regel durch eine persönliche Nähebeziehung geprägt ist und bei der gemeinsam gewirtschaftet wird. Damit ist das Verhältnis zwischen einem Mandanten und seinem Rechtsanwalt nicht gleichzusetzen - jedenfalls nicht, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, für die hier nichts ersichtlich oder vorgetragen ist.
2. Die. Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, es fehle eine - gemäß §§ 412, 399 BGB erforderliche - Zustimmung ihres ehemaligen Mandanten zum Anspruchsübergang.
Grundgedanke der §§ 398 ff. BGB ist, dass sich durch eine Abtretung oder einen gesetzlichen Forderungsübergang die Lage des Schuldners nicht verschlechtern darf (MüKo: BGB, 7. Auflage 2016, Rn. 14 zu § 412 BGB (Kieninger)). Erfasst werden von § 399, 1. Alt BGB deshalb auch die Fälle, in denen eine Abtretung den Interessen des Schuldners an der Geheimhaltung bestimmter Umstände zuwiderläuft, weshalb der Anspruchsübergang in diesen Fällen von seiner Zustimmung abhängig gemacht wird (MüKo BGB, a.a.O., Rn. 7 f, 30 zu § 399 BGB (Kieninger)).
Diese Situation liegt im Streitfall nicht vor. Ein besonderes Schutzbedürfnis auf Seiten der Beklagten, die Schuldnerin des Regressanspruchs ist, ist nicht erkennbar. Ein Ansatz, den Forderungsübergang von der Zustimmung des ursprünglichen Gläubigers - hier des Zeugen Schreiber - abhängig zu machen, wie es die Beklagte zu fordern scheint, ergibt sich aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt
II. Dem Zeugen Schreiber stand gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs.1, 675, 611 BGB i.V.m. § 128 HGB analog ein Anspruch auf Ersatz des ihm im Vorp...