Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeitsversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Teilt der Versicherungsnehmer dem Versicherer auf entsprechende Nachfrage mit, dass er an einem bestimmten Tage das letzte Mal gearbeitet hat und dass das Arbeitsverhältnis auch an diesem Tage arbeitgeberseitig gekündigt wurde, so erhält der Versicherer mit Zugang dieser Mitteilung Kenntnis von dem - bei Beantragung verschwiegenen und u.U. zum Rücktritt und zur Anfechtung berechtigenden - Umstand der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Damit werden auch die Fristen nach § 20 Abs. 1 VVG a.F. und § 124 Abs. 1 BGB in Gang gesetzt.
2. Enthält eine Auskunft der Krankenkasse, bei der der Versicherungsnehmer im betreffenden Auskunftszeitraum nicht versichert war, lediglich eine Diagnose und einen Arbeitsunfähigkeitszeitraum sonst aber keine präzisierende Merkmale, so beweist der Versicherer damit nicht, dass der Versicherungsnehmer tatsächlich hieran erkrankt war.
3. Auch ein gekündigtes Arbeitsverhältnis stellt die maßgebliche "zuletzt ausgeübte Tätigkeit" in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung dar.
4. Auch wenn das Krankheitsbild maßgeblich durch den Wegfall des beruflichen Umfeldes geprägt wird, tritt die Berufsunfähigkeit "infolge" Krankheit ein.
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 14.06.2007; Aktenzeichen 2 O 407/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.6.2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erbringung von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Beitragsbefreiung in der Lebensversicherung und Rente) ab Februar 2004 sowie auf Feststellung des Fortbestandes der BUZ-Versicherung in Anspruch (keine Beendigung durch Rücktritt/Anfechtung vom 11.11.2005).
Die Klägerin beantragte am 12.12.2001 bei der Beklagten den Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Anlage K9). Ihren Beruf als Chefsekretärin der Firma G beschrieb sie in der Anlage 1 zum Antrag, zuvor ausgeübte Berufe in Anlage 2 zum Antrag. Die im Antragsformular gestellten Gesundheitsfragen füllte sie teilweise nicht aus, ergänzte sie aber durch - umfangreiche - Angaben in den Anlagen 4 und 5. Dort führte sie auf Frage 12 nach Behandlungen und Untersuchungen in den letzten zehn Jahren aus:
"1991 bis 1997: Siehe Aufstellung der kaufmännischen Krankenkasse KKH, ...
1999 grippaler Infekt, Pansinusitis
2000 grippaler Infekt, Pansinusitis, Tracheabronchitis, Rückenschmerzen/Nackenverspannungen (Bedingt durch meinen Beruf als Sekretärin habe ich zeitweise Nackenverspannungen. Daraus resultieren Kopfschmerzen und ein ziehender Schmerz im Rückenbereich. Aufgrund dessen wurde ich mit Fangopackungen und Massage behandelt.)"
Die - in der obigen Angabe der Klägerin genannte - Aufstellung der kaufmännischen Krankenkasse KKH datiert vom 22.12.2000 und nennt zuletzt unter dem 9.5.1997 eine Chondropathia Patellae rechts als Erkrankung. In Anlage 5 führte die Klägerin zwölf behandelnde Ärzte sowie ein Krankenhaus auf und verwies auf ihren Hausarzt Dr. D, da sie nicht sicher sei, ob die Angaben vollständig seien.
Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 16.1.2002 eine Selbstauskunft "Knorpelveränderung der Kniescheibe" und eine Selbstauskunft wegen "Wirbelsäulenerkrankung" sowie einen Bericht von Dr. D von der Klägerin an (Anlage K10). Die Klägerin unterzeichnete die Selbstauskünfte am 27.1.2002, nachdem Dr. D die dort gestellten Fragen nach seinen Unterlagen beantwortet hatte. In der Selbstauskunft wegen Wirbelsäulenerkrankung wird die Frage "Waren Sie jemals länger als vier Wochen arbeits- bzw. berufsunfähig?" verneint (Anlage K11). Dr. D reichte seinen Bericht unter dem 24.1.2002 ein (Bl. 38 d.A.).
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 11.2.2002 der Klägerin mitteilte, dass für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Ausschlussklauseln wegen Erkrankungen und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule sowie deren Folgen sowie Erkrankungen und Funktionseinschränkungen des rechten Kniegelenks erforderlich seien (Anlage K12), teilte die Klägerin mit Schreiben vom 20.2.2002 der Beklagten mit, dass es im Jahre 2000 im Zuge eines Kündigungsverfahrens zu größeren Problemen mit dem Arbeitgeber gekommen sei, die sie ihrem Hausarzt geschildert habe. Hieraus habe sich die Krankschreibung mit einem HWS-Syndrom als Begründung ergeben. Diese Diagnose habe nahe gelegen, weil sie als Sekretärin Nackenverspannungen ohne Probleme glaubhaft machen konnte. Die Wirbelsäule sei aber gesund, was durch eine Röntgenaufnahme nachgewiesen werden könne (Anlage K13). Es erfolgten weiterer Schriftwechsel und Telefonate zwischen den Parteien und die Verei...