Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung der Post aufgrund einer unrichtigen Postzustellungsurkunde.

 

Normenkette

BGB § 839; PostG §§ 33, 35; ZPO § 182

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 22.07.2013; Aktenzeichen 011 O 336/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Münster vom 22.7.2013 teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin die Schäden zu ersetzen hat, welche durch die unerlaubte Handlung des Postzustellers E (falsch beurkundete Zustellung) und durch das deshalb ergangene Versäumnisurteil des LG Piräus vom 15.05./11.6.2012 - 2842/2012, entstanden sind und noch entstehen.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von nicht anrechenbaren vorgerichtlichen

Anwaltskosten der Rechtsanwälte T & Partner GbR aus N i.H.v. 459,40 EUR netto freizustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 25 Prozent und die Beklagte 75 Prozent.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrte die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für die Folgen einer angeblich fehlerhaften Durchführung der Zustellung eines gerichtlichen Schriftstückes.

Die Klägerin veranstaltet Reisen und führt in Griechenland eine Auseinandersetzung wegen eines nicht erfüllten Vertrages über den Charter einer Yacht. Der griechische Vertragspartner der Klägerin nahm diese gerichtlich auf Zahlung von ca. 220.000 EUR zzgl. Zinsen in Anspruch. Im Rahmen dieses Verfahrens sollte die Klageschrift und eine Terminsladung der Klägerin durch das AG Münster im Wege der Rechtshilfe zugestellt werden. Der für die Beklagte als Zusteller tätige Zeuge E kreuzte auf einer auf den 4.3.2011 datierten Postzustellungsurkunde an, diese Postsendung des AG Münster in einen zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung geworfen zu haben. Einen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung gibt es am Geschäftslokal der Klägerin jedoch - was mittlerweile unstreitig ist - nicht. In der Folgezeit erging in dem griechischen Rechtsstreit gegen die Klägerin ein Versäumnisurteil.

Die Klägerin hat die Beklagte erstinstanzlich auf Feststellung in Anspruch genommen, dass die Zustellung nicht rechtswirksam auf dem Postweg erfolgt sei, hilfsweise darauf, dass die Schriftstücke nicht zugegangen seien. Sie hat dabei vorgetragen, diese Feststellung im griechischen Verfahren zu benötigen, um dort die fehlerhafte Zustellung geltend machen zu können. Die Parteien haben dabei im Wesentlichen darüber gestritten, ob die Klage zulässig ist und die Zustellung erfolgte.

Das LG hat die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Die von der Klägerin begehrte Feststellung von Tatsachen sei nach § 256 Abs. 1 ZPO nicht möglich. Die in Betracht kommende Feststellung der Unechtheit der Urkunde werde von der Klägerin nicht beantragt. Im Übrigen wäre diese auch nicht begründet da die Urkunde echt sei. Denkbar wäre allenfalls, dass der beurkundete Inhalt nicht zutreffe.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin neben den erstinstanzlich gestellten Anträgen zusätzlich mit einem zweiten Hilfsantrag die Feststellung geltend, dass die Beklagte ihr den Schaden zu ersetzen habe, der durch die falsch beurkundete Zustellung und das deshalb ergangene Versäumnisurteil entstehe.

Durch das Versäumnisurteil seien ihr zusätzliche Kosten i.H.v. 12.000 EUR entstanden, die auch dann nicht erstattet würden, wenn sie den Rechtsstreit gewinne.

Die Beklagte bestreitet den Hergang des griechischen Verfahrens - mit Ausnahme des Erlasses des in einer in Griechenland angefertigten amtlichen Übersetzung vorgelegten Versäumnisurteils - und Fehler bei der Zustellung der Postsendung. Nachdem sie erstinstanzlich eine nicht ordnungsgemäße Zustellung bestritten hat, hat sie im Berufungsverfahren zunächst vorgetragen, die Postsendung sei in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingeworfen worden. Dann hat sie unter Bezugnahme auf eine schriftliche Stellungnahme des Zeugen E vom 22.11.2012 vorgetragen, wenn die Geschäftsräume morgens geschlossen gewesen seien, werde der Zeuge die Postsendung auf dem Rückweg durch Übergabe zugestellt haben. Da es hierfür keine Rubrik auf der Zustellungsurkunde gebe, habe er angekreuzt, sie eingeworfen zu haben. Die Erweiterung der Klage um den zweiten Hilfsantrag hält die Beklagte für unzulässig.

Im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil gem. § 540 Abs. 2 ZPO verwiesen und von der Wiedergabe der Änderungen und Ergänzungen im Berufungsrechtszug gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.

II. Die Berufung ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat einen - mit dem zweiten Hilfsantrag geltend gemachten - Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der durch den fehlerhaften Zustellungsvorgang verursachten Schäden. Soweit sich die Klägerin noch gegen die Abweisung des ersten Hilfsantrages wendet, ist die Berufung unbegründet.

Im Umfang des Hauptantrages haben die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlu...

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