Leitsatz (amtlich)

1. Allein die Anwesenheit eines Verkehrsteilnehmers an der Unfallstelle zur Unfallzeit begründet nicht bereits dessen Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG. Erforderlich ist vielmehr, dass die Fahrweise oder der Betrieb dieses Fahrzeugs zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen haben.

2. Reicht die vorhandene Straßenbreite für ein Passieren zwei der Fahrzeuge selbst unter Außerachtlassung eines ausreichenden Seitenabstandes nicht aus, darf die Begegnung nicht dann in beiderseitiger zügiger Fahrt durchgeführt werden, wenn zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen unter Berücksichtigung des nötigen Abstandes zum rechten Fahrbahnrand ein Seitenabstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann. Kann dieser Seitenabstand nicht eingehalten werden, muss nach § 1 Abs. 2 StVO sein Fehlen durch eine besonders vorsichtige Durchführung der Begegnung und Herabsetzung der beiderseitigen Fahrgeschwindigkeiten ausgeglichen werden. Reicht auch dies nicht, so haben beide Fahrzeugführer anzuhalten und sich darüber zu verständigen, welcher von ihnen am stehenden Fahrzeug des anderen in langsamer Fahrt vorbeifährt

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1; StVO § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 011 O 366/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.08.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels (bzgl. der Haftungsquote) - teilweise abgeändert.

Die Klage ist dem Grunde nach mit einer Haftungsquote von 40 % gerechtfertigt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftigen Schäden aus dem Unfallereignis vom 04.05.2015 auf dem M-Weg in S-S unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote des Klägers von 60% zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen.

Hinsichtlich des Betragsverfahrens wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger macht aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche der y GbR nach einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 04.05.2015 gegen 14:00 h auf dem M-Weg in S ereignet hat. Der Zeuge y befuhr mit einem im Eigentum der GbR stehenden Traktor mit angehängtem Fassanhänger den 3,2 m bis 3,7 m breiten M-Weg in Fahrtrichtung "B e C". Bei einer Begegnung mit dem bei der Beklagten zu 2 krafthaftpflichtversicherten KfZ der Beklagten zu 1 - so der Kläger - sei diese mit hoher Geschwindigkeit ihm mittig entgegengekommen. Der Zeuge y habe das Gespann noch nach rechts weg lenken wollen, dabei sei der 2,65 m breite Fassanhänger auf die Bankette geraten und anschließend die Böschung hinabgestürzt. Der Kläger hat den von ihm mit netto 28.793,80 EUR bezifferten Sachschaden neben Kosten für die Erstellung eines Kostenvoranschlages iHv 297,50 EUR und einer allgemeinen Unkostenpauschale von 25,- EUR sowie einen Vorbehalt für zukünftige materielle Schäden geltend gemacht. Die Beklagten haben die Forderung zurückgewiesen. Die Beklagte zu 1 habe am Unfalltag gegen Mittag den M-Weg befahren und sei dem Gespann begegnet. Man habe problemlos aneinander vorbeifahren können. Daher sei zu vermuten, dass das Gespann bei einer späteren Fahrt von der Straße abgekommen sei.

Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 als Partei angehört und die Zeugen y und L als Zeugen vernommen. Es hat sodann die Klage mit der Begründung abgewiesen, es könne schon nicht festgestellt werden, dass die Beklagte zu 1 dem Zeugen y gegen 14:00 h auf der zum Umstürzen des Fassanhängers führenden Fahrt begegnet sei.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen und der gestellten Anträge gem. § 540 ZPO Bezug genommen wird, soweit sich aus dem Nachstehenden nichts Abweichendes ergibt, richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze nebst den damit überreichten Anlagen verwiesen. Der Senat hat die Beklagte zu 1 als Partei angehört und die Zeugen y und N vernommen. Der Sachverständige Prof. T hat im Senatstermin mündlich ein unfallanalytisches Gutachten erstattet. Insoweit wird auf den hierüber aufgenommenen Berichterstattervermerk verwiesen.

Die Akten 72 Js 4495/15 StA Münster lagen vor.

II. Die zulässige Berufung des Klägers führt zur Teilabänderung des landgerichtlichen Urteils im aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang sowie zur - von dem Kläger hilfsweise auch ausdrücklich beantragten - Zurückverweisung der Sache nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO hinsichtlich des Betragsverfahrens. Soweit mit der Berufung eine höhere Haftungsquote der Beklagten geltend gemacht wird, als vom Senat angenommen, war das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen.

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