Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein in Deutschland wohnender Deutscher bei einem Unfall durch ein Fahrzeug eines Belgiers in Belgien an seinem Eigentum geschädigt, kann er gemäß Art. 13 Abs. 2, Art. 11 Abs. 1 lit. b EuGVVO den in Belgien sitzenden Kfz-Pflichthaftpflichtversicherer an seinem Wohnsitz in Deutschland verklagen, weil das (nach Art. 18 Rom-II maßgebliche belgische Recht) in Art. 150 des Belgischen Versicherungsgesetzes vom 04.04.2014 und Art. 3 des Gesetzes über die Kraftfahrthaftpflichtversicherung vom 21.11.1989 ebenso wie das deutsche Recht in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG einen Direktanspruch gegen den Kfz-Pflichthaftpflichtversicherer vorsieht.
2. Materiell anwendbar bei einem solchen Verkehrsunfall in Belgien ist, da Deutschland das Haager Übereinkommen über Straßenverkehrsunfälle von 1971 nicht ratifiziert hat, nach dem Tatortprinzip belgisches Recht gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom-II, wenn - wie hier - keine Rechtswahl im Sinne von Art. 14 Rom-II getroffen wurde sowie Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 Rom-II nicht anwendbar sind.
3. Das belgische Recht sah jedenfalls im Jahr 2017 keine dem deutschen Recht entsprechende Gefährdungshaftung wie in § 7 Abs. 1 StVG, sondern in Art. 1382, 1383 des belgischen Code Civil nur eine Verschuldenshaftung vor.
4. Der belgische Kfz-Pflichthaftpflichtversicherer hat gemäß Art. 150 des Belgischen Versicherungsgesetzes vom 04.04.2014 und Art. 3 des Gesetzes über die Kraftfahrthaftpflichtversicherung vom 21.11.1989 nicht nur für die Verschuldenshaftung des Kraftfahrzeugeigentümers einzustehen, sondern auch für die Verschuldenshaftung des Kraftfahrzeugführers.
5. Diese Haftung für den Kraftfahrzeugführer ist indes nach Art. 62 des Gesetzes über Versicherungen vom 04.04.2014 ausgeschlossen, wenn das Schadensereignis vorsätzlich herbeigeführt wird.
6. Mangels (Gefährdungs-)Haftung des Eigentümers nach belgischem Recht kommt es mithin anders als nach § 103 VVG für den Haftungsausschluss nicht darauf an, dass der Kraftfahrzeugführer dem Eigentümer / Halter als Versicherungsnehmer im Rahmen der Kfz-Haftpflichtversicherung (anders als in der Kaskoversicherung) auch nicht als Repräsentant zuzurechnen ist (vgl. dazu BGH Urt. v. 18.12.2012 - VI ZR 55/12, NJW 2013, 1163 Rn. 20; BGH Urt. v. 20.5.1969 - IV ZR 616/68, NJW 1969, 1387; BGH Urt. v. 10.7.1996 - IV ZR 287/95, r+s 1996, 385; Lehmann, r+s 2019, 361, 366). Eine etwaige Einwilligung der klagenden Partei muss der belgische Pflichthaftpflichtversicherer daher nicht beweisen.
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 6 O 296/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.02.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen (6 O 296/18) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der in F (Deutschland) wohnende Kläger nimmt die in Belgien sitzende Beklagte wegen eines behaupteten Verkehrsunfalls vom 16.12.2017 gegen 21.30 h auf einem Supermarktparkplatz in X (Belgien) in Anspruch. Der Kläger war im Unfallzeitpunkt Halter und Eigentümer eines Pkw Mercedes E-Klasse, Erstzulassung 21.12.2005, mit dem amtlichen Kennzeichen ...-... ...2, der am 28.11.2017 auf ihn zugelassen worden war. Bei der Beklagten handelt es sich um den damaligen Haftpflichtversicherer des gelben Ford Transit mit dem amtlichen belgischen Kennzeichen ...-... ...8, durch welchen das parkende klägerische Fahrzeug beschädigt worden sein soll. Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 8.340,20 EUR geltend, die sich aus den Nettoreparaturkosten in Höhe von 7.124,66 EUR gemäß dem vom Kläger eingeholten Privatgutachten der Sachverständigen C vom 24.12.2017, Sachverständigenkosten in Höhe von 1.185,54 EUR und der allgemeinen Unkostenpauschale in Höhe von 30,00 EUR zusammensetzen. Zudem verlangt er Freistellung von ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 EUR. Der Kläger hat den streitgegenständlichen Mercedes im April 2018 für 3.000,00 EUR unrepariert weiterverkauft.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er habe sein Fahrzeug am Unfalltage ordnungsgemäß auf dem Parkplatz des E Supermarktes in X geparkt, während er seiner in Belgien lebenden Tochter und deren Mann geholfen habe, deren Haus zu renovieren. Der als Zeuge benannte polnische Staatsangehörige H habe als Fahrer des bei der Beklagten versicherten belgischen Ford Transit beim Rückwärtsfahren seinen parkenden Mercedes beschädigt. Nähere Angaben könne er zum Unfallhergang nicht machen, er nehme insoweit auf die vor Ort ausgefüllte Unfallmitteilung, das sog, "Aandrijdingsformulier" (Anlage 1 zur Klageschrift, Bl. 4 d.A.) einschließlich der dortigen Unfallskizze Bezug, die sein flämisch sprechender Schwiegersohn Z zusammen mit dem Fahrer des Transporters ausgefüllt habe.
Die Beklagte hat erstinstanzlich behauptet, der behauptete Unfall habe niemals stattgefunden, es handele sich um einen versuchten Versicherungsbetru...