Leitsatz (amtlich)

1. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG n. F.wird widerlegt, wenn der Antragsteller/Verfügungskläger durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es "ihm nicht eilig ist" (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 01.07.1999 - I ZB 7/99, GRUR 2000, 151 sowie die Senatsurteile vom 15.03.2011 - 4 U 200/10, vom 21.04.2016 - 4 U 44/16 und vom 20.04.2021 - 4 U 14/21). Dies ist nicht der Fall, wenn der Antragsteller/Verfügungskläger das einstweilige Verfügungsverfahren binnen Monatsfrist nach Kenntniserlangung vom Verstoß und vom Verletzer einleitet, das angerufene Gericht aber Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und der Antragsteller/Verfügungskläger zu vom Gericht zugleich geäußerten Bedenken gegen die Schlüssigkeit des Antrags erst drei Tage vor dem anberaumten Termin ergänzend Stellung nimmt. Es besteht insofern insbesondere keine prozessuale Obliegenheit des Antragstellers/Verfügungsklägers, eine Vorverlegung des anberaumen Termins zu beantragen.

2. Aufgrund der zugunsten des Antragstellers/Verfügungsklägers streitenden Dinglichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG n. F. bedarf es abweichend von §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO zunächst keiner Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes, insbesondere nicht der Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung hierzu.

3. Beauftragter i. S. v. § 8 Abs. 2 UWG kann auch ein zu einer Gruppe ("Group") von Familienunternehmen gehörendes selbständiges Unternehmen sein, auf dessen Geschäftstätigkeit ein Familienmitglied - etwa aufgrund seiner Stellung als (Mit-)Gesellschafter sämtlicher Unternehmen der Gruppe - zumindest faktisch maßgeblichen Einfluss ausübt (Fortführung von BGH, Urteil vom 07.04.2005 - I ZR 221/02, GRUR 2005, 864, Rn. 20 - Meißner Dekor II; Senatsurteil vom 02.06.2016 - 4 U 17/15).

4. Die pauschale Werbung eines Händlers mit einer 5-Jahres-Garantie ist irreführend, wenn diese tatsächlich nicht für sämtliche vertriebenen Produkte gilt.

5. Die Werbeaussage "ca. 1 Mio. Artikel sofort verfügbar" ist irreführend, wenn das Sortiment des Händlers tatsächlich nur rd. 2.000 unterschiedliche Artikel umfasst, weil der gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG maßgebliche durchschnittliche Verbraucher die beanstandete Werbeaussage dahingehend versteht, dass das Sortiment ca. 1 Mio. unterschiedliche Artikel umfasst und damit besonders breit gefächert ist, vergleichbar mit großen, ggf. marktbeherrschenden Anbietern.

6. Die Werbung eines Online-Shops mit einer Lieferzeit von "i. d. R. 48 Stunden" ist nicht irreführend.

7. Eine AGB-Klausel, nach der die für Gewährleistungsansprüche der Kunden maßgebliche vereinbarte Beschaffenheit der Ware dahingehend definiert wird, dass diese sich ausschließlich nach den Produktbeschreibungen des Verwenders richtet und nicht auch nach öffentlichen Äußerungen, Anpreisungen oder Werbeaussagen, weicht zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB ab, benachteiligt diesen hierdurch unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 2 BGB und ist deshalb auch im unternehmerischen Verkehr unwirksam.

8. Eine AGB-Klausel, mit der ein Unternehmen sämtliche Ansprüche seiner Kunden auf Schadensersatz, gleich aus welchem Rechtsgrund, mit Ausnahme einer zwingenden Haftung bspw. für Fälle des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit ausschließt, ist auch im unternehmerischen Verkehr gem. § 307 Abs. 2 BGB unwirksam (st. Respr., vgl. u. a. BGH, Urteil vom 11.11.1992 - VIII ZR 238/91, NJW 1993, 335).

9. Die Werbeaussagen "CO2 Reduziert", "Umweltfreundliche Produkte und nachhaltige Verpackungen", "Unser Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit" genügen den nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 20.10.1988 - I ZR 238/87, GRUR 1991, 546 - Aus Altpapier) an die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise im Bereich der umweltbezogenen Werbung grundsätzlich zu stellenden strengen Anforderungen nicht.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 2, § 434 Abs. 1 S. 3; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 5, 8 Abs. 1-2, § 12 Abs. 1 n. F; ZPO § 920 Abs. 2, §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 8 O 21/21)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 29.04.2021 verkündete Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg (Az. 8 O 21/21) unter Zurückweisung des weitergehenden Berufungsbegehrens teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Verfügungsbeklagten werden im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1. eine 5-Jahres-Garantie für einen "Lampen und Leuchten Shop" wie nachstehend bei ISM01 zu bewerben (vgl. auch Anlage F4),

((Abbildung))

wenn dann die dort im Shop angebotenen Produkte nicht zumindest eine 5-Jahres-Garantie haben,

2. im Online-Shop (vgl. Anlage F5) mit "circa 1 Mio. Artikel sofort ve...

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