Leitsatz (amtlich)
Steht mehreren Anliegern ein gemeinschaftliches Erbbaurecht an einer Privatstraße zu und kommt einer der Miterbbauberechtigten auf der Privatstraße vor dem Grundstück eines anderen Miterbbauberechtigten wegen Verletzung der Räum- und Streupflicht zu Fall und verletzt sich dabei, besteht jedenfalls dann kein Ersatzanspruch, wenn weder eine ausdrückliche noch konkludente Regelung der Räum- und Streupflicht zwischen den Miterbbauberechtigten existiert. Denn mangels entsprechender Regelung war der Verletzte ebenso wie die übrigen Miterbbauberechtigten verpflichtet, den Räum- und Streudienst zu erledigen und aus diesem Grunde dem Schutzzweck der Pflicht entzogen.
Normenkette
BGB §§ 741ff, 823
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 6 O 352/00) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.11.2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der Streithelfer.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert die Klägerin i.H.v. 19.271,41 DM.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld noch auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden gem. §§ 823 Abs. 1, 847, 249 f. BGB.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin auf der M.-Straße unmittelbar vor dem Grundstück des Beklagten zu Fall kam und sich dabei die streitigen Verletzungen zuzog. Denn der Beklagte hat jedenfalls keine Verkehrssicherungspflicht gegenüber der Klägerin verletzt.
1. Allerdings bestand bei entsprechenden Witterungsverhältnissen grundsätzlich die Verpflichtung, auf der M.-Straße zumindest einen begehbaren Weg als Zugang zu den Grundstücken der Anlieger zu räumen und zu streuen. Denn auch als Privatstraße diente sie nicht nur den Anliegern, sondern auch deren Besuchern und Lieferanten zum Zugang der jeweiligen Grundstücke und war insoweit dem öffentlichen Verkehr freigegeben. Innerhalb der zeitlichen Grenzen der Räum- und Streupflicht musste deshalb ein Gehweg als Zugang zu den einzelnen Grundstücken sichergestellt sein, der nur über die Straße verlaufen konnte, weil ein besonderer Bürgersteig fehlte.
2. Dem Beklagten ist aber keine Verkehrssicherungspflichtverletzung gegenüber der Klägerin vorzuwerfen, weil diese als Miterbbauberechtigte an der M.-Straße mangels anderweitiger Vereinbarung selbst räum- und streupflichtig und deshalb dem Schutzzweck der Pflicht entzogen war.
a. An der M.-Straße besteht für die Anlieger mit den Hausnummern 16a, 16b, 16c, 18 und 20 ein gemeinschaftliches Miterbbaurecht. Die Klägerin (Nr. 16c) ist an dieser Rechtsgemeinschaft (§§ 1008, 741 ff. BGB i.V.m. ErbbRVO 11) ebenso beteiligt, wie der Beklagte (Nr. 18). Als Anlieger der Privatstraße haben sie einen Verkehr eröffnet, der sie verpflichtete, die Straße in einem für Benutzer verkehrssicheren Zustand zu halten. Diese Verpflichtung, zu der auch die Winterwartungspflicht gehört, oblag allen Miterbbauberechtigten gemeinsam, solange keine abweichende Regelung getroffen wurde (vgl. BGH v. 27.11.1984 – VI ZR 49/83, MDR 1985, 311 = NJW 1985, 484; OLG Hamm JMBl. NW 1982, 245 jeweils für den vergleichbaren Fall von Wohnungseigentümern). Das ergibt sich bereits aus dem Rechtsgedanken des § 744 BGB, wonach die Verwaltung eines gemeinschaftlichen Gegenstandes allen Teilhabern gemeinschaftlich zusteht.
b. Regelungen, wonach die Winterwartungspflicht anders verteilt sein sollte, sind zwischen den Anliegern weder vereinbart worden noch auf sonstige Weise wirksam geworden.
aa. Eine ausdrückliche Vereinbarung, wonach jedem Anlieger für einen bestimmten Teil der M.-Straße die Räum- und Streupflicht obliegen sollte, bestand unstreitig nicht.
bb. Ebensowenig kann von einer konkludenten Regelung ausgegangen werden, die jedem Anlieger die Sicherungspflicht vor seinem Grundstück aufbürdete. Es ist zwar anerkannt, dass eine Verkehrssicherungspflicht auch dadurch begründet werden kann, dass über Jahre hinweg eine entsprechende Übung unter den Sicherungspflichtigen praktiziert und faktisch anerkannt wird (Geigel-Schlegelmilch, Der Haftpflichtprozess, 20. Aufl., 14, Rz. 170 für Gemeinden; OLG Düsseldorf r+s 1990, 199). Allerdings tragen weder die Klägerin noch der Beklagte noch die Streitverkündeten irgendwelche Gesichtspunkte vor, die eine solche konkludente Regelung unter den Anliegern begründen könnten.
cc. Entgegen der Ansicht der Berufung ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung auch nicht aus der Bestimmung des § 745 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift gibt zwar jedem Teilhaber der Gemeinschaft einen Anspruch auf Verwaltung und Benutzung nach billigem Ermessen. Es handelt sich aber lediglich um einen einklagbaren Anspruch und nicht um eine Regelung, die die Verwaltung und Benutzung nach billigem Ermessen kraft Gesetzes fingiert. Der Regelungsinhalt ...