Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 07.07.1998; Aktenzeichen 6 O 629/97)

 

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 10. März 1999 wird aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 7. Juli 1998 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.940,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. Juni 1997 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des I. Rechtszuges tragen der Kläger zu 37 % und die Beklagte zu 63 %, die der Berufungsinstanz der Kläger zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.

Die durch seine Säumnis im Senatstermin vom 10. März 1999 entstandenen Mehrkosten trägt der Kläger allein.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Teilkaskoversicherung auf Zahlung einer Entwendungsentschädigung für sein versichertes Fahrzeug BMW 520 i, Erstzulassung am 00.00.00, in Anspruch.

Er behauptet, der Wagen sei ihm am 25.3.1997 in K./Polen von einem unbewachten Parkplatz in der Wohnsiedlung seiner Schwiegereltern gestohlen worden.

Die Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Sie bestreitet den Diebstahl mit näherer Begründung und beruft sich überdies auf Leistungsfreiheit wegen Aufklärungsobliegenheitsverletzung, weil der Kläger u. a. Falschangaben zur Laufleistung des Fahrzeugs gemacht habe.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung des Klägers, die der Senat zunächst durch Versäumnisurteil vom 10. März 1999 zurückgewiesen hat, hatte nach fristgerechtem Einspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Beklagte ist dem Kläger nach §§ 1, 49 VVG; 12 Abs. 1 I lit. b AKB zur Zahlung von 11.940,– DM nebst Zinsen verpflichtet.

1.

Die Beklagte ist nicht wegen Aufklärungsobliegenheitsverletzung (§ 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB) leistungsfrei geworden (§ 7 V Abs. 3 AKB; 6 Abs. 3 VVG).

a) Zwar sind im Fragebogen II der Beklagten vom 8. 4. 1997 (Bl. 27 ff d.A.) objektiv Falschangaben enthalten, die der Kläger gegenüber dem Zeugen W. (Außendienstmitarbeiter der Beklagten) gemacht hat:

  • • Die Angabe von 52.999 km auf die Formularfrage nach dem „Kilometerstand (Gesamtleistung) beim Kauf” war grob unrichtig. Unstreitig wußte der Kläger, daß der Tachometerstand des Fahrzeugs, der beim Erwerb vom Verkäufer N. 52.999 km anzeigte, nicht die tatsächliche Laufleistung wiedergab. Mit Schriftsatz vom 22. 11. 1995 hatte er nämlich im Rechtsstreit 6 O 360/95 LG Bielefeld, in dem er N. wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) erfolgreich auf Rückzahlung des Kaufpreises in Anspruch genommen hatte, Unterlagen vorgelegt, aus denen sich bereits für September 1994 zweifelsfrei ein Kilometerstand von 130.342 ergab.
  • • Deshalb war auch der Eintrag „ca 76.000” zur Formularfrage „Welche genaue Laufleistung hatte das Fahrzeug vor der Entwendung” deutlich falsch.

Dem Kläger ist es auch nicht gelungen, die gesetzliche Vorsatzvermutung (§ 6 Abs. 3 VVG) zu widerlegen. Es vermag ihn nicht zu entlasten, daß er eigentlich beabsichtigt hatte, die Schadensmeldung durch seinen Rechtsanwalt H. abgeben zu lassen, dies auch gegenüber dem Zeugen W. zum Ausdruck gebracht und in dessen Gegenwart vergeblich versucht hat, telefonisch Kontakt zu seinem Anwalt aufzunehmen. Letztlich hat er sich nämlich freiwillig dafür entschieden, gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten selbst Angaben zu machen. Daß der Zeuge W. ihn dazu mit dem – zutreffenden – Argument, es gehe ja nicht um Rechtssondern ausschließlich um Wissensfragen, veranlaßt hat, ist nicht zu beanstanden. Die Zeugin W., Ehefrau des Klägers und bei der Schadensaufnahme zugegen, hat bestätigt, daß der Kläger und sie die unterschiedliche Bedeutung der Begriffe „Laufleistung” und „Kilometerstand” verstanden haben.

Gleichwohl ist eine Leistungsfreiheit der Beklagten nicht eingetreten. Die Besonderheit des Falles besteht nämlich darin, daß bereits kurze Zeit, nachdem der Zeuge W. unter Mitnahme der ausgefüllten Fragebögen die Wohnung der Eheleute W. verlassen hatte, der Kläger ihn telefonisch über die falsche Auskunft aufklärte und zutreffende Angaben zur Laufleistung des versicherten Fahrzeugs machte. Zu diesem Zeitpunkt – am Nachmittag des 8. 4. 1997 – hatte der Zeuge die Fragebögen noch nicht an die zuständige Abteilung der Beklagten in H. abgesandt. Dies geschah vielmehr erst am Abend des 8. 4. 1997, wobei der Zeuge aufgrund des Telefonats mit dem Kläger eine Korrekturmitteilung und eine von ihm nach Maßgabe der Laufleistungsberichtigung erstellte Fahrzeugbewertung beifügte.

Nicht ganz zweifelsfrei ist bereits, ob ein Zugang des unrichtigen Fragebogens bei der Beklagten schon in dem Zeitpunkt anzunehmen ist, als der Zeuge W. mit dem ausgefüllten und vom Kläger unterschriebenen Schriftstück die Wohnung des Klägers verließ. Dies würde eine Vertretungsmacht des Zeugen zur Empfangnahme des Fragebogens für die Beklagte voraussetzen (§ 164 Abs. 3 BGB). Aus § 9 Satz 1 AKB ergibt ...

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