Leitsatz (amtlich)
Wird ein intimes Foto ohne Zustimmung der abgebildeten Person im Internet veröffentlicht und erleidet die abgebildete Person dadurch einen gesundheitlichen Schaden, kann ihr wegen der Verletzung der Gesundheit ein Anspruch auf Schmerzensgeld und wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts am eigenen Bild ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen. Ein auf beide Anspruchsgrundlagen gestütztes Klagebegehren stellt einen prozessual einheitlichen Streitgegenstand dar.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 253 II; KUG §§ 22-23; GG Art. 1-2
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 22.07.2015; Aktenzeichen 012 O 374/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22.07.2015 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Münster (Az. 12 O 374/14) unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 5.000,00 EUR seit dem 06.11.2014 und aus einem weiteren Betrag von 2.000,00 EUR seit dem 06.12.2014 zu zahlen.
Ferner wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.172,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 837,76 EUR seit dem 06.11.2014 und aus einem weiteren Betrag von 334,75 EUR seit dem 03.03.2015 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund der unbefugten Veröffentlichung der Bilddatei, welche die Klägerin und den Beklagten beim Oralverkehr zeigt, im Internet zukünftig entstehen werden, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Beklagte. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 56 % und der Beklagte zu 44 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Zwangsvollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Parteien, die beide im Jahr 1995 geboren wurden, streiten noch über Entschädigungsansprüche, nachdem der Beklagte ein intimes Bild der Klägerin im Internet veröffentlichte.
Die Parteien führten eine etwa zweijährige Liebesbeziehung. Im Jahr 2011 fertigte der Beklagte mit seinem Handy ein Foto von der Klägerin, welches sie bei der Ausführung von Oralverkehr an ihm zeigt. Das Gesicht der Klägerin ist auf dem Foto erkennbar.
Anfang Oktober 2013 stellte der Beklagte das Foto in seinem persönlichen und vor Inhaltsänderungen durch ein Kennwort geschützten Profil auf der Internetplattform ... com (www..... com), die allgemein einsehbar ist und insbesondere von gemeinsamen Freunden und damaligen Klassenkameraden besucht wurde, online. Das Foto verbreitete sich - ohne Zutun des Beklagten - sodann vor allem auch über andere soziale Netzwerke des Internets. Unmittelbar nachdem die Klägerin von einer Freundin auf die Veröffentlichung des Bildes hingewiesen worden war, erstattete sie am 07.10.2013 Anzeige gegen den Beklagten und forderte ihn telefonisch auf, das Foto zu entfernen, was der Beklagte auch umgehend machte. In der Folgezeit untersagten die Eltern der Klägerin dem Beklagten die Kontaktaufnahme zu ihrer Tochter, weshalb er einen Brief an die Eltern verfasste. Auf den Inhalt des Briefes wird Bezug genommen (Bl. 37 ff. d.A.). Sein Profil bei ... com wurde vom Beklagten mittlerweile gelöscht.
Mit außergerichtlichem Schreiben der Klägervertreter vom 27.10.2014 wurde der Beklagte unter Fristsetzung zum 05.11.2014 aufgefordert, eine Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung abzugeben sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR zu zahlen (vgl. Bl. 16 ff. d.A.).
Die Klägerin hat behauptet, keine Kenntnis von der Anfertigung des Fotos gehabt zu haben. Sie habe in Folge der Veröffentlichung des Fotos im Internet eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, die fortdauere. Für sie sei jeder Schulbesuch nach der Veröffentlichung des Bildes ein Spießrutenlauf gewesen. Sie habe unter extremer Angst gelitten, auf das Foto angesprochen zu werden, weshalb auch ihre schulischen Leistungen stark abgefallen seien. Sie habe sich aus dem sozialen Leben sowie von ihren Freunden zurückgezogen und suizidale Phantasien gehabt. Sie sei zur Alltagsbewältigung auf die Einnahme von Antidepressiva angewiesen gewesen.
Sie ist der Ansicht gewesen, die unkontrollierbare Weiterverbreitung des Fotos rechtfertige ein Schmerzensgeld, das einen Mindestbetrag von 5.000,00 EUR deutlich übersteige. Der Feststellungsantrag sei insbesondere zulässig, weil er...