Leitsatz (amtlich)
1. § 215 VVG n.F. ist bei Altverträgen für Versicherungsfälle bis 31.12.2008 nicht anwendbar. Die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG erfasst auch diese - prozessuale - Frage. (Anschluss an u.a. OLG Stuttgart, VersR 2009, 246; a.A. OLG Saarbrücken, VersR 2008, 1337.)
2. Eine Betriebsstelle (Niederlassung) eines Versicherers erfüllt nur dann die Voraussetzungen von § 21 ZPO, so dass der Versicherungsnehmer am Ort der Betriebsstelle Klage erheben kann, wenn dort eigenständig Versicherungsverträge geschlossen werden oder der Versicherer einen entsprechenden Rechtsschein gesetzt hat. Für Letzteres genügt nicht, wenn der Versicherer selbst von einer "Niederlassung" spricht und die Vertragsbetreuung (Leistungsabwicklung, Prämienmitteilungen) durch die Betriebsstelle erfolgt; auch aus der Größe der (hier u.a. für die Leistungsabwicklung in der Krankenversicherung zuständigen) Betriebsstelle darf der Versicherungsnehmer nicht auf die Voraussetzungen des § 21 ZPO schließen.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger zu beweisen.
Normenkette
VVG § 215; EGVVG Art. 1 Abs. 1-2; ZPO § 21
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 29.05.2008; Aktenzeichen 2 O 478/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.5.2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das zuständige LG München I verwiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger ist bei der Beklagten privat krankenversichert.
Den ursprünglichen Versicherungsvertrag hatte der in unmittelbarer Umgebung von Düsseldorf wohnende Kläger - nach seiner Erinnerung - im Jahre 1973 bei der damaligen Vereinte X AG geschlossen. Die damals zuständige Bezirksdirektion der Vereinten befand sich in Düsseldorf. Im November 2002 wurde die bereits seit einigen Jahren zur A-Gruppe gehörende Vereinte X AG von der Beklagten übernommen.
Der Versicherungsschutz des Klägers umfasst u.a. auch den Tarif 741 der Beklagten, der die Erstattung von Zahnbehandlungen, Zahnprophylaxe und Inlays zu 100 % sowie die Erstattung von Aufwendungen für Zahnersatz, funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen sowie kieferorthopädische Leistungen zu 75 % vorsieht.
Der Kläger begab sich am 15.3.2005 in die zahnärztliche Behandlung des Zahnarztes Dr. L in Düsseldorf und traf mit diesem am gleichen Tage eine Gebührenvereinbarung nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Die Behandlung erfolgte in der Zeit vom 15.3.2005 bis zum 27.6.2005 an insgesamt 20 Tagen. Dr. L stellte diese Leistungen mit der Rechnung Nr. 50/150720 vom 11.7.2005 i.H.v. insgesamt 8.138,62 EUR in Rechnung.
Leistungen zur Fertigung einer Einlagefüllung in fünf Sitzungen stellte Dr. L dem Kläger mit Rechnung Nr. 1292/150706 am 12.7.2005 i.H.v. insgesamt 2.983,35 EUR in Rechnung.
Der Kläger bezahlte die Rechnungen und legte diese der Beklagten zum Zwecke der Erstattung vor. Die Beklagte nahm Kürzungen im Hinblick auf angebliche Überschreitungen der Regelhöchstsätze vor. Wegen der Einzelheiten dieser Kürzungen wird auf das Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 4.8.2005 (Bl. 17) und ihre Erläuterungen im Schreiben vom 11.8.2005 (Bl. 18 f.) Bezug genommen.
Mit der Klage macht der Kläger die Differenz i.H.v. zuletzt 5.560,32 EUR zwischen den Rechnungsbeträgen und den von der Beklagten erstatteten Teilbeträgen geltend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das LG Dortmund sei gem. § 21 ZPO örtlich zuständig. Die Beklagte habe nach außen den Eindruck erweckt, dass es sich bei der Betriebsstelle in Dortmund um eine selbständige Niederlassung handele.
Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Dortmund gerügt. Sie betreibe keine Niederlassung i.S.v. § 21 ZPO in Dortmund.
Das LG hat die Klage abgewiesen.
Diese sei unzulässig. Der Kläger habe die den Gerichtsstand des LG Dortmund begründenden Tatsachen nicht nachgewiesen.
Das LG Dortmund sei nicht gem. § 21 Abs. 1 ZPO zuständig. Der Kläger habe nicht hinreichend dargetan, dass die Beklagte in Dortmund eine Niederlassung unterhalte, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen würden.
Nicht umstritten sei, dass die Beklagte in Dortmund eine auf Dauer angelegte Niederlassung unterhalte.
Jedoch habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass es sich bei der Niederlassung in Dortmund um eine solche handele, von der unmittelbar Geschäfte geschlossen werden. Nur dann würde es sich um eine selbständige Niederlassung i.S.d. § 21 ZPO handeln.
Zwar sei zur Begründung eines Gerichtsstandes gem. § 21 Abs. 1 ZPO auch ausreichend, wenn vom Stammhaus zurechenbar der Rechtsschein der Selbständigkeit veranlasst werde. Aber auch dies sei vom Kläger nicht dargetan worden.
Tatsachen, welche die örtliche Zuständigkeit des LG Dortmund aus anderen Rechtsvorschriften begründen würden, habe der Kläger ebenfalls nicht vorgetragen.
Gegen dieses Urteil wende...