Leitsatz (amtlich)
1. Eine Leistungskürzung gem. § 81 Abs. 2 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus (hier verneint).
2. Der Deckungsausschluss in den Bedingungen der Wassersportfahrzeug-Kaskoversicherung für Schäden, welche durch eine dem Versicherungsnehmer bekannte oder fahrlässig nicht erkannte Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugs bei Fahrtantritt mitverursacht sind, stellt eine sog. verhüllte Obliegenheit dar (Anschluss an BGH, Urt. v. 18.05.2011, IV ZR 165/09, VersR 2011, 1048 zu § 132 Abs. 1 VVG a.F.).
Normenkette
VVG § 81 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 18.11.2011; Aktenzeichen 3 O 121/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.11.2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Bielefeld - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 584.100,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 1 % unter dem Basiszins gem. § 247 BGB, mindestens aber 4 % und höchstens 6 % p.a., seit dem 01.06.2009 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Anlass eines behaupteten Unfallereignisses vom 31.05.2009 auf Entschädigungsleistungen aus einer bei ihr genommenen Wassersportfahrzeug-Kaskoversicherung in Anspruch.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts, deren Anteile zu 98 % von einem Herrn K. und zu 2 % von einem Herrn U. gehalten werden. Sie ist alleinige Gesellschafterin einer G. GmbH mit Sitz in B., deren alleiniger Geschäftsführer wiederum der Zeuge C. ist.
Die Klägerin war Eigentümerin einer Hochgeschwindigkeitsmotoryacht des Typs "ITAMA 40 Double Cabin" (Baujahr 2006) mit der Baunummer IT-ITA40002A606 und dem Heimathafen in Port Grimaud, Côte d'Azur, welche sie im Jahre 2006 von einer C. BV zu einem Kaufpreis von 410.000,00 EUR erworben hatte. Sie hielt das Eigentum treuhänderisch für den Zeugen C. sowie ihren Streithelfer.
Die Klägerin nahm im Jahre 2006 bei der Beklagten für die Yacht eine sog. NAUTIMA-Versicherung, bestehend aus einer Haftpflicht- und Kaskoversicherung. Versichert waren Fahrzeug, Maschinenanlage und Zubehör zu einer Versicherungssumme von 591.600,00 EUR. Es galten im Rahmen der Kaskoversicherung u.a. die N. AB-Sach '95 (nachfolgend: AB-Sach '95) sowie die NAUTIMA Bedingungen 2005 für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen (NAUTIMA VB-Kasko '05). Letztere sehen in § 3 Nr. 4 lit. a) und b) unter der Überschrift "Ausschlüsse" u.a. vor:
"Ausgeschlossen sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch
a) Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugs, sofern diese bei Antritt der Fahrt vorlag und der Versicherungsnehmer davon Kenntnis hatte oder gehabt haben musste,
b) Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugs, sofern diese bei Antritt der Fahrt vorlag und der Fahrzeugführer davon Kenntnis hatte oder gehabt haben musste;"
Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den Versicherungsschein vom 06.10.2006 sowie das Bedingungswerk der Beklagten (jeweils Anlage K1) Bezug genommen.
Bei der Yacht war es in der Vergangenheit wiederholt zu technischen Problemen gekommen. Unter anderem war am 22.07.2007 beim Einfahren in den Hafen von St. Tropez die Steuerung ausgefallen, wodurch es zu einer Kollision mit dem Pier gekommen war. Am 21.08.2008 hatte sich ein weiterer Unfall aufgrund eines Lenkungsdefekts ereignet. Schiffsführer war seinerzeit der Zeuge C., der im Besitz des erforderlichen Sportbootführerscheins ist und über rund zwanzigjährige Motorbooterfahrung verfügt.
Wegen technischer Probleme an der elektrischen Ruderanlage erfolgte im Winterlager 2008/09 eine Generalüberholung der Yacht durch die N. SARL. Hierüber verhält sich eine Bestätigung des Inhabers des Unternehmens vom 19.04.2010, ausweislich derer das Steuerungssystem durch Ausbauen der Steuerungskolbenhalterung und ihrer Neuanfertigung aus dickerem Stahl und Wiedereinbau verstärkt worden sei, wobei sich im Rahmen einer durchgeführten Testfahrt das Steuerungssystem als ordnungsgemäß funktionsfähig herausgestellt habe (GA I 76).
Am Schadentag, dem 31.05.2009, kam es in der Mittagszeit zu der streitgegenständlichen Kollision der Yacht mit einem Felsen in der Baie de Briande und infolge dessen zu einem Sinkschaden. Die Yacht war im Zeitpunkt des Schadenereignisses vom Zeugen C. geführt worden, der aus einer Seemeile Entfernung die Südostspitze des die Bucht nach Osten hin begrenzenden Felsens in Sichtpeilung genommen und...