Leitsatz (amtlich)

Der Senat bejaht einen Anspruch gegen den beklagten Rechtschutzversicherer auf Deckungsschutz für eine Dieselklage nach Maßgabe des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2023 - VIa ZR 355/21 (Differenzschaden wegen Thermofenster). Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Deckungsablehnung nach der damaligen tatsächlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine solche Klage keine Aussicht auf Erfolg hatte (Fortführung des Senatsurteils vom 05.05.2023 - 20 U 144/22). Andererseits ist im Streitfall (noch keine Dieselklage erhoben) der Anspruch auf Deckungsschutz begrenzt durch das Erfordernis einer - zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilenden - hinreichenden Erfolgsaussicht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das am 23. Juni 2022 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster (115 O 1325/21) teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag Nr. 0347348500 im Zusammenhang mit der Schadennummer 10 092643 21 7 verpflichtet ist, die Kosten für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Klägerin gegen die Audi AG wegen der behaupteten Implementierung eines unzulässigen sog. Thermofensters in der Abgassteuerung eines Audi A5 (FIN ...) zu tragen. Der Deckungsschutz steht unter der Einschränkung, dass der mit der zu erhebenden erstinstanzlichen Klage geltend zu machende Schadenersatzbetrag maximal 4.782,- EUR beträgt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 67 % und die Beklage zu 33 %

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird - soweit die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Deckungsschutz für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers festgestellt wurde - zugelassen.

 

Gründe

I. Der Ehemann der Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung. Versicherungsbeginn war der 01.02.2000. Die Klägerin ist mitversicherte Person. Sie begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Deckungsschutz für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen gegen die Audi AG im Zusammenhang mit dem Erwerb eines vom "Dieselskandal" angeblich betroffenen Fahrzeugs sowie die Freistellung von Kosten für die Anfertigung eines (vermeintlichen) anwaltlichen "Stichentscheids".

Versicherungsschutz besteht gemäß "Spezial-Rechtsschutz für niedergelassene Ärzte und Heilwesenberufe § 28 ARB" unter Geltung der Allgemeinen Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen ARB 94 in der Fassung 01.01.2009 mit "Vertrags-, Steuer- und Daten-RS" (im Folgenden: ARB; siehe Versicherungsschein Bl. 321 f. eGA-II).

§ 28 ARB (vgl. Bl. 323 ff. eGA-II) lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 28 Spezial-Rechtsschutz für Firmen, Selbständige und freiberuflich Tätige

(1) Versicherungsschutz besteht

a) für die im Versicherungsschein bezeichnete gewerbliche, freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit des Versicherungsnehmers;

b) für den Versicherungsnehmer oder eine im Versicherungsschein genannte Person auch im privaten Bereich und für die Ausübung nichtselbständiger Tätigkeiten.

(2) Mitversichert sind

a) der eheliche oder der im Versicherungsschein genannte nichteheliche Lebenspartner des Versicherungsnehmers oder der gemäß Absatz 1 b) genannten Person,

(...)

d) die in Abs. 1 und Abs. 2 a) bis c) genannten Personen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer oder Halter jedes im Versicherungsschein genannten und bei Vertragsabschluss oder während der Vertragsdauer auf sie zugelassenen oder auf ihren Namen mit einem Versicherungskennzeichen versehenen und als Mieter jedes von ihnen als Selbstfahrer-Vermietfahrzeug zum vorübergehenden Gebrauch gemieteten Motorfahrzeuges sowie Anhängers und alle Personen als berechtigte Fahrer oder berechtigte Insassen dieser Motorfahrzeuge,

(...)

(3) Der Versicherungsschutz umfasst

- Schadenersatz-Rechtsschutz (§2a)

(...)

Nach § 2 a) ARB umfasst der Versicherungsschutz

"Schadenerdsatz-Rechtsschutz

für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, soweit diese nicht auf einer Vertragsverletzung oder einer Verletzung eines dinglichen Rechtes an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen beruhen."

Nach § 4 (1) ARB besteht Anspruch auf Rechtsschutz nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles

"a) im Schadenersatz-Rechtsschutz gemäß § 2 a) von dem Schadenereignis an, das dem Anspruch zugrundeliegt"

wobei

"die Voraussetzungen nach a) bis c) (...) nach Beginn des Versicherungsschutzes gemäß § 7 und vor dessen Beendigung eingetreten sein [müssen]."

§ 18 ARB regelt sodann:

"(1) Ist die [VERSICHERU...

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